Scholz: "Solidarität gehört einfach dazu"

Scholz: "Solidarität gehört einfach dazu"
Hamburgs Bürgermeister und SPD-Vizeparteichef Scholz im Interview über den Euro-Rettungsschirm, die Finanzkrise und Bürgerbeteiligung.

Als Bürgermeister der Hansestadt Hamburg führt Olaf Scholz seit März 2011 die einzige SPD-Alleinregierung eines deutschen Bundeslandes. Der 54-jährige frühere Arbeits- und Sozialminister (2007–2009) war diese Woche in Wien, traf Bundespräsident Heinz Fischer, Bürgermeister Michael Häupl und nahm am City Talk im Institut für die Wissenschaften vom Menschen teil.

KURIER: Österreichs Parlament hat eben für den Dauerhaften Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt gestimmt. Sind das Ihrer Ansicht nach die bestmöglichen Instrumente?

Olaf Scholz: Ja, ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, diese beiden Dinge zu tun. Der Fiskalpakt stellt sicher, dass sich alle in Europa auf eine solide Haushaltspolitik verständigen. Zugleich werden Mittel bereitgestellt, die den Finanzmärkten zeigen, dass wir bereit sind, Europa und unsere Währung zu verteidigen.

Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen konservativ und sozialdemokratisch regierten Ländern? Die einen sagen, man muss sparen, aber auch etwas für Wachstum tun; die anderen, man braucht Wachstum, muss aber auch sparen?

Deutschland ist durch die letzte Wirtschaftskrise 2008/2009 deshalb so gut durchgekommen, weil wir konkrete, wirksame Maßnahmen getroffen haben – etwa die von mir als Arbeitsminister auf den Weg gebrachte massive Ausweitung der Kurzarbeit, die Hunderttausende Arbeitsplätze gesichert hat; oder die Abwrackprämie, die die Autoindustrie am Laufen gehalten hat. All das war sozialdemokratische Handschrift. Aber für Sozialdemokraten und Konservative ändert sich gleichermaßen etwas: Es gibt ein Umdenken in Europa. Wir verständigen uns Stück für Stück darauf, dass es falsch ist, neue Schulden zu den angehäuften hinzuzufügen. Und da bin ich überzeugt, dass die meisten noch nicht ermessen, was dieses Umdenken für Folgen hat.

Was würde eine SPD-Regierung in Deutschland heute anders machen?

Wenn es um die Zukunft Europas geht, geht es zuallererst um Klarheit. Deshalb hätte man schon am Anfang der Krise klar sagen müssen, dass wir helfen werden – statt den Eindruck zu erwecken, als sei das nicht nötig. Hier fehlte ein pro-europäisches Bekenntnis, deshalb die Pirouette. Aber auch unter Sozialdemokraten ist klar, dass die Budgetpolitik der Schuldenländer nicht bleiben kann wie sie war.

Wie trifft die Finanzkrise eine Stadt wie Hamburg mit ihren ehrgeizigen Projekten?

Hamburg wächst – an Einwohnern und wirtschaftlich. Die Krise ist bei uns nicht angekommen und wir tun alles, damit das so bleibt. Aber auch wir haben uns längst dazu verpflichtet, die Haushaltspolitik neu auszurichten. Wir begrenzen das Ausgabenwachstum auf 1 Prozent pro Jahr, sodass wir es schaffen werden, spätestens 2019 oder 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zustande zu bringen.

Wirkt sich das auf laufende Großprojekte wie die neue Hafen-City aus?

Nein, die Hafen-City ist ein Infrastrukturprojekt, dessen Kosten dadurch getragen werden, dass die Stadt Grundstücke veräußert. Am Schluss kann unter der Rechnung eine schwarze Null stehen. Die Hafen-City bedeutet fast eine Verdoppelung der Innenstadt. Das ist eine Chance, wie es sie in der Stadtentwicklung nur sehr selten gibt.

Sie befürworten gemeinsame Deutschland-Anleihen von Bund und Ländern, damit alle in den Genuss niedrigerer Zinsen kommen. Verzerrt das nicht die Eigenverantwortung?

Nein, alle deutschen Länder sind in der Lage, ihre historischen Schulden zu bedienen. Und da sie das Grundgesetz verpflichtet, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen, stellen sie bereits heute entsprechende Budgets auf. Dadurch wird der Anlagemarkt der Länder immer kleiner. Das ist ein Problem. Durch gemeinsame Anleihen würde der Markt groß genug bleiben. Es muss aber sichergestellt sein, dass das Geld vernünftig ausgegeben wird. Hamburg zahlt auch in den Länderfinanzausgleich ein, hat sich aber nie darüber beklagt. Das ist wie in Europa: Solidarität gehört einfach dazu.

Sie haben die Vertiefung der Elbe und damit die Befahrbarkeit des Hafens für große Schiffe gegen viele Widerstände durchgesetzt. Ist Bürgerbeteiligung für Sie eher Hemmschuh oder demokratische Notwendigkeit?

Ich bin ein großer Anhänger der Bürgerbeteiligung und einer rechtzeitigen Information der Bürger. Es heißt ja nicht, dass die Politik nichts mehr durchsetzen kann. In Hamburg hat der Senat die Möglichkeit, eine Sache an sich zu ziehen, wenn eine Not-in-my-backyard-Mentalität überhandnimmt.

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