"Scharia"-Heft: Brandanschlag auf Satire-Blatt

Die Redaktion des Blattes "Charlie Hebdo" wurde völlig zerstört. Zu dem Anschlag kam es Stunden vor Veröffentlichung einer "Scharia"-Ausgabe.

Unbekannte haben Mittwoch früh einen Brandanschlag auf die Pariser Redaktion des französischen Satire-Wochenblattes Charlie Hebdo verübt. In den frühen Morgenstunden wurde offenbar ein Molotow-Cocktail in das Büro geschleudert.

Die Zeitung brachte am selben Tag ein Sonderheft zum jüngsten Wahlsieg der Islamisten in Tunesien heraus und hatte sich dazu in " Scharia Hebdo" umbenannt. Am Cover ist eine Zeichnung des Propheten Mohammed zu sehen, in der Sprechblase neben ihm steht: "100 Peitschenhiebe, wenn Sie sich nicht totgelacht haben." "Mohammed" wird auch als Chefredakteur der Ausgabe angeführt.

Ein Mitglied der Verlagsleitung sprach im TV-Sender BFM-TV auch von Droh-Mails, die die Redaktion erhalten habe. Allerdings habe niemand das Sonderheft vor dem Brandanschlag gelesen haben können, da es erst Stunden später an die Kioske kam, heißt es. Der Brand sei gelöscht worden, Verletzte und Festnahmen habe es keine gegeben, teilte die Polizei mit. "Alles ist zerstört", sagte Patrick Pelloux, ein Kolumnist der mit einer Auflage von 140.000 Exemplaren erscheinenden Zeitschrift.

Politik und Muslime verurteilen Anschlag

Unbekannte manipulierten am Morgen vorübergehend auch den Internetauftritt der Zeitung. Statt der Titelseite der neuen Ausgabe war dort einige Stunden lang ein Bild der Moschee in Mekka zu sehen mit dem Spruch: "Es gibt keinen Gott außer Allah". Über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook hatte die Redaktion bereits im Vorfeld Drohnachrichten und Beleidigungen erhalten. "Wir sind jede Form von religiösem Fundamentalismus, nicht gegen praktizierende Muslime", erklärte die Redaktion.

Innenminister Claude Guéant sprach bei einem Besuch am Ort des Brandes von einem gezielten Anschlag, bei dem auch die islamistische Spur verfolgt werde. Regierungschef Francois Fillon forderte, die Tat schnell aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen. "Jede Verletzung der Pressefreiheit muss mit größter Entschiedenheit verurteilt werden", erklärte der Premierminister. Auch der Vorsitzende des muslimischen Dachverbandes CFCM, Mohammed Moussaoui, verurteilte die Brandstiftung. Die Titelseite des Blattes sei am Mittwoch weniger "gewaltsam" ausgefallen, als die 2006 veröffentlichten Karikaturen.

2006 Mohammed-Karikaturen veröffentlicht

2006 hatte die Zeitung die zwölf zuerst in der dänischen Zeitung Jyllands Posten erschienenen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht und eigene Zeichnungen hinzugefügt. Eine Klage muslimischer Verbände endete 2008 mit einem Freispruch für den damaligen Chefredakteur: Die französische Justiz sah in der Veröffentlichung keine Beleidigung der Muslime, da die Zeitung nur radikale Islamisten verspotte und nicht die Muslime insgesamt. Die Wochenzeitung hatte aus dem islamischen Kulturkreis stammende Intellektuelle zu Wort kommen lassen, die gegen den Islamismus als neue weltweite totalitäre Bedrohung Position bezogen.

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