Rote Ampel für Schönheitswahn?

Rote Ampel für Schönheitswahn?
SPÖ-Frauenchefin Heinisch-Hosek will manipulierte Fotos von Supermodels kennzeichnen. Werber Schober hält das für Unsinn.

Wenn Julia Roberts von Plakaten lächelt, ist ihr Foto meist im Computer bearbeitet – Falten verschwinden, der Teint wird nachgebessert, es herrscht Perfektion.

Die SPÖ will das nicht länger hinnehmen. Via KURIER hat SPÖ-Bundesfrauensekretärin Andrea Mautz eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Bilder gefordert –, um Teenager vor Schönheitswahn und Magersucht zu schützen. Mit Punkten sollen manipulierte Kampagnen-Fotos markiert werden: grün für leichte Eingriffe (Farb-Aufhellungen, etc.), gelb für "mittelstarke Veränderungen" (Falten entfernt) und "starke Verfremdungen" (z. B. Beine in die Länge gezogen). Ist das sinnvoll? Für den KURIER diskutierten SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek und Werber Alois Schober:

KURIER: Frau Bundesminister, die SPÖ-Frauen fordern eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Anzeigenfotos mit einem Punkte-System. Bringt das nicht eine heillose Überbürokratisierung der Werbewirtschaft?

Gabriele Heinisch-Hosek: Als Konsumentin ist man auf Plakaten und in Zeitschriften mit einer Flut an manipulierten Bildern konfrontiert – im Schnitt 2000 bis 5000 Bilder pro Woche. Parallel dazu steigt die Zahl der jungen Frauen, die auf Anorexie-Stationen landen oder sich zur Matura eine Schönheits-OP wünschen. Einer der Gründe sind zweifellos die manipulierten Bilder, die heute Menschen zeigen, die es im realen Leben überhaupt nicht mehr gibt. Das Punkte-System ist eine logische und notwendige Maßnahme. Ich stelle mir das nicht so schwierig vor.

Alois Schober: Das glaube ich Ihnen gerne, aber Sie irren: Ein derartiges System ist praxisfern. Wir haben damals bei GGK die Plakate für Palmers gemacht. Wenn Sie als Außenstehender feststellen wollen, was an einem dieser Fotos manipuliert wurde, dann stoßen Sie schnell an Grenzen. Was verändert wurde, das wissen nur die Profis, die es gemacht haben – und damit sind wir beim nächsten Problem: Wie kommen Sie an die Daten, Frau Minister?

Heinisch-Hosek: Von den Agenturen natürlich.

Schober: Aber das ist deren Know-how, darauf kann man nicht einfach zugreifen, was sagt denn da der Datenschutzrat? Faktum ist: Die besten Aufnahmen sind nicht gut genug, um sie 1:1 auf ein 24-Bogen-Plakat zu drucken, selbst Supermodels werden manipuliert. Auch eine Frau, die sich schminkt, manipuliert. Dürfen sich Frauen in Zukunft also nicht mehr schminken?

Heinisch-Hosek: Darum geht es doch nicht! Entscheidend ist der Grad der Verfremdung. Unser Punkte-System würde diesen aufzeigen.

Schober: Aber das ist doch eine Frage des Bildungsniveaus. Verantwortungsvolle Eltern zahlen ihren Kindern ohnehin keine Schönheits-OP, es ist doch glatter Wahnsinn, im pubertären Alter damit anzufangen.

Heinisch-Hosek: Da irren Sie leider: Es ist eben keine Frage des Bildungsniveaus. Insbesondere Familien mit gutem Bildungsniveau und entsprechendem Einkommen sind betroffen. Ich will einfach, dass sich die Menschen wieder die Frage stellen: Wird uns da nicht nur eine Scheinwelt vorgegaukelt?

Schober: Na selbstverständlich wird einem in der Werbung etwas vorgegaukelt, aber die Menschen sind ja nicht dumm, die wissen das! Da müssen Sie nichts kennzeichnen oder verbieten.

Heinisch-Hosek: Mir geht’s nicht ums Verbieten. Ich will nur, dass junge Frauen, die sich Anzeigen anschauen, sehen: Aha, dieses Bild wurde mit einem Computer gemacht, da helfen mir weder Make-up noch hungern, so kann ich nicht aussehen.

Schober: Frau Minister, es gibt ein Grundgesetz in der Werbung: Zeige immer die nächste Stufe der Aspiration. Und ob Sie’s glauben oder nicht: Die Menschen wollen keine Plakate mit Menschen, die genauso aussehen wie sie selbst. Sie wollen Menschen, die eine Spur besser aussehen – eben wie sie selbst gerne wären. Wenn man das überzieht, und Geschmacksgrenzen überschreitet, geht die Sache ohnehin nach hinten los. Beine strecken und aufgeblasener Atombusen? Das funktioniert ja gar nicht!

Heinisch-Hosek: Und warum hungern sich dann junge Mädchen zu Tode?

Schober: Weil der soziale Druck so hoch ist. Die Leute gehen ja auch nicht ins Fitness-Studio, weil sie gesund sein wollen, sondern weil alle anderen auch gehen.

Heinisch-Hosek: Aber wer macht denn den Druck?

Schober: Die Mediengesellschaft.

Heinisch-Hosek: Richtig, die Mediengesellschaft ist Schuld, dass diese Bilder in der Öffentlichkeit sind, und deshalb will ich die Warnung ermöglichen: Achtung, hier wurde manipuliert! Was spricht dagegen?

Schober: Gegen eine freiwillige Selbstverpflichtung der Werber spricht gar nichts, auch die Debatte darüber ist gut. Nur lösen Sie damit das Problem nicht. Wenn eine Frau nicht mit sich selbst klarkommt, hilft ihr ein neues Punkte-System genauso wenig wie eine Operation. Unser Ziel muss sein, dass Menschen selbstbewusst mit Werbung umgehen. Meine Frau würde sich scheiden lassen, wollte ich ihr eine Schönheits-OP schenken.

Heinisch-Hosek: Mir geht’s in erster Linie um die Jugendlichen, die mit Bildern konfrontiert sind, die sie einem gewaltigen Druck aussetzen. Und mit diesem Druck können Jugendliche oft nicht selbstbewusst umgehen, das ist ein Faktum.

Schober: Sie haben also das Vertrauen in die Eltern verloren. Ich würde das anders angehen, ich sag’s brutal: Eltern, die ihren Kindern Schönheits-OPs bezahlen, die gehören eingesperrt.

Frau Minister, hat Sie Herr Schober jetzt überzeugt, dass Ihr Punktesystem doch nicht funktioniert?

Heinisch-Hosek: Nein. Ich glaube nach wie vor, dass eine gesetzliche Regelung hier funktionieren kann. Ich werde weiter Verbündete suchen – und zwar insbesondere in der Werbewirtschaft.

Zur Person: Die Kontrahenten

Gabriele Heinisch-Hosek ist ausgebildete Sonder- und Hauptschullehrerin und begann ihre Karriere 1990 als Gemeinderätin in Guntramsdorf. 1999 wurde sie als Nationalratsabgeordnete ins Parlament gewählt. Im April 2008 wechselte die gebürtige Guntramsdorferin in die niederösterreichische Landesregierung, seit Dezember 2008 ist sie Frauenministerin und Vorsitzende der SPÖ-Frauen.

Alois Schober studierte an der Wiener Wirtschaftsuniversität und begann seine Werbe-Karriere 1970 bei Procter & Gamble in Österreich und England. Schober arbeitete für die führenden Agenturen des Landes, seit 1996 ist er General Manager bei Young & Rubicam Wien. 2006 sorgte er für Aufsehen, als er die SPÖ-Werbekampagne mit den Worten ankündigte, das werde "purer Napalm".

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