Rituelle Beschneidungen auch in Österreich

Rituelle Beschneidungen auch in Österreich
Zu den Ritualen als "ein Gebot der Bibel" gibt es keine einschlägige Judikatur. Das sorgt für Unsicherheit.
Von Uwe Mauch

Die Beschneidung am achten Tag nach der Geburt sei ein Gebot der Bibel. Erklärt Schlomo Hofmeister, der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Er selbst hat als ausgebildeter Mohel (jüdischer Beschneider) bereits mehr als 1000 Buben beschnitten. "Der Eingriff dauert nicht einmal zehn Sekunden", berichtet Hofmeister. "Und er ist mindestens so professionell, wenn nicht sogar professioneller wie der Eingriff eines Urologen, weil der Mohel speziell auf diesen einen Eingriff geschult ist."

Körperverletzung?

Wenig Verständnis zeigt der Rabbiner für jenes Kölner Landgerichtsurteil, das seit der Vorwoche nicht nur in Deutschland für Aufregung sorgt. Die Richter kamen dort zu dem Schluss, dass eine Beschneidung von jungen Menschen aus rein religiösen Gründen als Körperverletzung zu werten sei. "Warum Körperverletzung, wenn dieser Eingriff selbst von der Weltgesundheitsorganisation als eine Präventivmaßnahme empfohlen wird?"

Eckart Breinl, Primarius an der Urologischen Abteilung im Landeskrankenhaus Sankt Pölten, bestätigt, dass Beschneidungen vor allem aus hygienischen Gründen zu begrüßen sind. Allerdings verweist der Mediziner auf eine auch in Österreich lückenhafte Gesetzeslage.

Auch in der Österreichischen Ärztekammer gibt man zu, dass es zu Beschneidungen keine einschlägige Rechtssprechung gibt. Für den Primarius und sein Team stellt sich die Situation so dar: "Wir dürfen nur dann einen Eingriff vornehmen, wenn es dafür eine medizinische Notwendigkeit gibt." In der Fachsprache der Ärzte heißt diese Notwendigkeit Phimose, im Volksmund Vorhaut-Verengung. Eckart Breinl gibt zu bedenken, dass bei mehr als 50 Prozent der Neugeborenen eine Verengung festgestellt werden kann, die sich jedoch im Laufe weniger Jahre oft von selbst löst.

In seiner Abteilung werden pro Jahr 200 Beschneidungen durchgeführt, rund ein Drittel haben neben dem medizinischen zusätzlich einen religiösen Hintergrund. "Problematisch wird es für uns Ärzte, wenn es keinen Grund für eine Operation gibt. Denn zum einen sollen wir jeden Patienten als ganzen Menschen wahrnehmen, dabei auch seine Wünsche und Bedürfnisse respektieren. Zum anderen würden wir uns bei einer Beschneidung, die rein religiösen Hintergrund hat, strafbar machen." Der Primarius zitiert den Tatbestand der Fehldiagnose – und hat daher alle Ärzte in seiner Abteilung dringend angewiesen, diesen nicht zu riskieren.

Zurückweisung

Öfters kommt es deshalb auch zu Diskussionen mit Eltern, die auf den Koran verweisen und daher die Zurückweisung durch die Ärzte nicht verstehen.

Ihnen wird anderswo geholfen – und das nicht erst seit gestern, wie Zekirija Sejdini, der Sprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien, bestätigt. "Es gibt in Österreich Ärzte, die Beschneidungen in ihrer Ordination durchführen."

So wie Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister und Vertreter der evangelischen Kirche in Österreich sieht auch Sejdini durch das Kölner Urteil das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften in Gefahr: "Warum müssen wir jetzt noch einmal über etwas diskutieren, was seit Tausenden Jahren gut funktioniert?"

Der Stammesvater Abraham soll sich im biblischen Alter von fast hundert Jahren selbst beschnitten haben, als ein Zeichen seines Bundes mit Gott. Lernen Juden wie Moslems. Amerikaner und Australier sehen das weniger eng: In den USA leben weiterhin rund 70 Prozent der Männer ohne Vorhaut. Aus rein hygienischen Gründen.

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