Putin muss sich nicht mehr verstellen
Der Kater ist aus dem Sack: Wladimir Putin, seit elf Jahren das unangefochtene Alpha-Tier der russischen Politik, wird bei den Präsidentenwahlen 2012 erneut kandidieren - und selbstverständlich triumphieren. Nachdem sie die Öffentlichkeit ein Jahr lang mit ihren vorgetäuschten Rivalitäten an der Nase herumgeführt hatten, machte Putins amtierender Platzhalter im Kreml jetzt einen artigen Rückzieher und ließ dem Chef den Vortritt. Dass Dmitri Medwedew bereit ist, künftig in der Regierung zu arbeiten, ging im Jubel der Putin-Anhänger unter. Denn sie wissen genau: Die russische Musik spielt nur dort, wo der drahtige Machtmensch aus St. Petersburg den Takt vorgibt.
Gelenkte Demokratie
Nachdem die zuletzt zu neuem Leben erwachte Zunft der Kreml-Astrologen ihre Glaskugeln nun getrost einpacken kann, haben die Russen wieder freien Blick auf die "gelenkte Demokratie" in ihrer Heimat - und der muss ernüchternd ausfallen: Denn eine echte Opposition im Land gibt es nicht - sie ist mundtot gemacht oder scheitert schon an der behördlichen Zulassung; die Duma, die Anfang Dezember neu gewählt wird, ist eine reine Abnick-Kammer, in der nur kooperationswillige Parteien sitzen; die wichtigsten Medien stehen unter der Kontrolle des Kreml; Putin und sein engstes Umfeld fällen die zentralen Entscheidung ohne öffentliche Debatten in irgendwelchen Hinterzimmern; und wer sich im Dunstkreis der Macht die Taschen füllt, wird totgeschwiegen.
Auch wenn Putin de facto alle Widersacher kaltgestellt hat - ein Gegner erweist sich aber als hartnäckig: Die Lethargie und Politikverdrossenheit vieler Bürger. Um sie bei der Stange zu halten, hat der Premier/Präsident eine Allrussische Volksfront wie in Sowjetzeiten ins Leben gerufen und die Losung ausgegeben, die Regierungspartei "Einiges Russland" müsse mindestens 60 Prozent der Stimmen organisieren. Denn es gilt die alte Regel: In einem Potemkinschen Dorf kommt es vor allem auf die Fassaden an.
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