Papst-Rede: Boykott im Bundestag

Papst-Rede: Boykott im Bundestag
Einige Abgeordnete der SPD, Grünen und der Linken boykottieren die Rede von Papst Benedikt XVI. vor dem deutschen Bundestag.

Lange ließ sich Benedikt XVI. für seinen ersten offiziellen Besuch in seinem deutschen Heimatland Zeit. Waren seine zwei Kurztrips zuvor rein kirchlicher Natur, so ist diese Vier-Tage-Visite auch eine des Oberhaupts des Vatikan-Staates. Dabei wird die politische Seite dem Heiligen Vater eher weniger Sorgen machen als die kirchliche: Die Katholiken seiner Heimat sind aufmüpfiger als je seit der Reformation, auch wenn ihr Oberhaupt bis 19. Juli 2005 Joseph Kardinal Ratzinger hieß.

Der erste Tag in der Hauptstadt steht im Zeichen der Politik: Der Papst trifft die Spitzen der Republik vom Bundespräsidenten abwärts. Höhepunkt ist seine Rede heute, Donnerstag, im Bundestag. Die Erwartungen in sie sind gemischt. Die Umgebung der Kanzlerin erhofft eine Ermunterung der skeptischen Reihen in der Koalition bei der Euro-Rettung: Europa als großes Friedensprojekt und eine Mahnung an die Finanzmärkte, auch wenn nur die die grenzenlose Verschuldung Europas durch die Politik verhindern. Auch dass der Bundestag heuer ausführlich wie kein anderes Parlament über die Präimplantationsdiagnostik diskutierte, wird deren entschiedenster Gegner wohl anerkennen.

Protest

Doch nicht alle 620 Abgeordneten werden die Rede hören: Etwa die Hälfte der "Linke"-Fraktion wird ihr demonstrativ fernbleiben. Einige davon werden sogar auf der Straße gegen den Redner protestieren: Auch wenn er Oberhaupt einer Weltkirche und aus Deutschland ist, gehöre sich das in einem säkularen Staat nicht, meinen neben den Kommunisten auch Vertreter von Grünen und SPD.

Sie werden sich dabei zwischen Homosexuellen wiederfinden, die gegen die Ablehnung der Kirche einer Angleichung des Eherechts für sie protestieren. Auch Missbrauchsopfer aus dem katholischen Erziehungswesen planen Proteste.

Wesentlich entspannter sollte die Stimmung dann im Berliner Olympiastadion sein: Die 70.000 Plätze für den Ökumenischen Gottesdienst des Papstes sind längst vergeben, die Sicherheitsvorkehrungen wie auf der ganzen Reise atemberaubend. Gläubige aus ganz Deutschland werden Benedikt XVI. zujubeln, Berliner werden gar nicht so viele darunter sein. In der säkularen Hauptstadt sind aktive Christen, vor allem Katholiken, eine kleine Minderheit.

Noch mehr Anhänger, nämlich über 100.000, darf der Papst am nächsten Tag bei einer Feldmesse in Thüringen erwarten. Hier wird seine Reise pastoraler, unter anderem mit dem Besuch jenes Klosters, in dem Martin Luther als Mönch lebte, bevor er mit seinen Thesen die Reformation und die größte Kirchenspaltung einleitete. Hier werden vom Papst versöhnende Worte erwartet.

Stimmung

Auf der letzten Station im katholisch geprägten Freiburg dominiert Innerkirchliches. Hier trifft der Papst die Deutsche Bischofskonferenz, deren modernere Hälfte sich Zugeständnisse an die starken deutschen Laienorganisationen erhofft: Etwa bei der Zulassung Geschiedener zu den Sakramenten und mehr Toleranz bei Zölibatsverletzungen. Über allem schwebt aber das Missbrauchsthema, das zu Kirchenaustritten wie lange nicht geführt hat.

Bleibt die Stimmung überwiegend heiter, wird der Besuch auch ein pastoraler Erfolg. Herzliche Szenen wie in seiner direkten Heimat Bayern - oder gar hysterische wie beim Vorgänger in dessen Heimat Polen - wären eher eine Überraschung.

Bruder Georg - "Josef war nie verliebt"

Noch sei Papst Benedikt fit genug, sein Amt auszuüben, sagte dessen Bruder, Georg Ratzinger, der Bunten . Doch "wenn es gesundheitlich nicht mehr geht, sollte mein Bruder den Mut haben, vom Amt zurückzutreten".

Niemand, auch nicht Benedikt XVI., sei ohne Sünde, so Georg Ratzinger, selbst katholischer Priester, in dem Interview. "Jeder Mensch sündigt - ganz egal, ob Papst oder sonst wer. Mein Bruder beichtet natürlich auch bis heute."

Verliebt waren beide Brüder nie: "Nein, uns war früh klar, dass wir einen anderen Weg gehen und auf die Ehe verzichten."

Papst-Besuch: Die Höhepunkte

22. 9. Nach ersten Treffen mit Bundespräsident Wulff und Kanzlerin Merkel hält der Papst um 16.15 Uhr eine Rede im Bundestag. Danach feiert er im Berliner Stadion die Messe mit 70.000 Gläubigen.

23. 9. In Erfurt ( Thüringen) besucht Benedikt den Dom und das Augustinerkloster, wo Martin Luther einst als Mönch gelebt hat. Begegnung mit dem Rat der evangelischen Kirche.

24. 9. Ansprache auf dem Münsterplatz in Freiburg.

25. 9. Messe mit
100.000 Gläubigen auf dem City-Airport-Gelände Freiburg.

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