"Oliver verhält sich nicht normal"

"Oliver verhält sich nicht normal"
Die Mutter des entführten Fünfjährigen hat beim Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen Dänemark eingebracht.

Die Sechs-Wochen-Frist im Entführungsfall Oliver ist ver­strichen. In Dänemark hat aber noch kein Verfahren über die beantragte Rückführung des Kindes aus der gewaltsam erzwungenen Obhut des Vaters zu seiner Mutter nach Graz stattgefunden.

Nun kommt an einer anderen Front Bewegung in den Fall Oliver. Kindesmutter Marion Weilharter, 40, geht in die Offensive, weil sie den dänischen Behörden längst nicht mehr vertraut und sich krass benachteiligt fühlt.

Mit fünf anderen betroffenen auslän­dischen Elternteilen wurde gegen Dänemark eine Sammelklage beim Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingebracht: "Wegen Diskriminierungs- und Rassismusverdachts gegen nicht-dänische Staatsbürger in Obsorgestreitfällen." Eine Mutter sowie ein Vater aus den USA, ein Vater aus Italien, eine philippinische und eine polnische Mutter haben sich angeschlossen. Sie alle verbindet ein Schicksal: Keine Chance auf ein normales Leben mit ihren Kindern zu haben.

"In der Menschenrechtsklage wird auch erwähnt, dass ein Sachbearbeiter im Familienamt sein Amt missbraucht haben dürfte, um Olivers Vater zu helfen", sagt Weilharter und zeigt das entsprechende Schriftstück. Dieser Beamte ließ die Grazerin erst kürzlich schriftlich wissen: Würde sie nach Dänemark zum Gerichts­termin kommen, könne sie verhaftet werden. Weilharter wurde von ihrem Ex-Freund Thomas S. 2010 wegen Kindesentführungsverdachts angezeigt.

Wie eine Löwin kämpft die Grazerin um ihr Kind. "Die Zeit drängt. Meinem Kind geht es nicht gut. Ein Mal wöchentlich lässt der Vater Telefonkontakt zu. Oliver verhält sich nicht normal, nicht wie ein unbeschwertes Kind. Wenn ich ihn frage, ob er Fußball spielt, in den Kindergarten geht, ob er mir etwas erzählen will, dann singt und summt er nur ins Telefon." Sie vermittle ihm jedes Mal: "Ich hab’ dich lieb. Wir sehen uns bald wieder. Alles wird gut."

Anwältin Britta Schönhart unterstellt den dänischen Behörden Willkür: "Sie setzen auf Zeit, um die Interessen des Vaters zu stärken. Je länger sich Oliver in Dänemark befindet, desto besser re­integriert er sich. Dann wird es Zeugen geben, die sagen, Oliver gehe es so super." Kindergärtnerinnen, Verwandte und Freunde des Vaters.

Weder die Grazer Staatsanwaltschaft noch Marion Weilharter und ihre Anwältin wissen Konkretes über Oliver. Den Wohnsitz hält der Vater nach wie vor geheim. Der europäische Haftbefehl gegen den 40-Jährigen bleibt aufrecht. Homestorys in dä­nischen Medien über Vater und Sohn finden sich auch keine.

Chronologie: Gewöhnlicher Aufenthalt bei der Mutter

Unterschiedlich wurde Recht gesprochen, bei wem Oliver leben darf.
Am 3. April 2012 wurde der Fünfjäh­rige vor dem Kindergarten in Graz vom Vater in ein Mietauto gezerrt. Ein noch unbekannter Begleiter hielt die Mutter fest.
Seit dem sechsten Lebensmonat des Kindes besaß die Mutter in Dänemark das uneingeschränkte Sorgerecht, der Vater nur Besuchsrecht. Als Mutter und Kind im Juli 2010 nach Graz zogen, stellte der Däne den Antrag auf gemeinsame, später auf alleinige Obsorge – und bekam sie sechs Monate später.
In Österreich ist die Mutter erziehungsberechtigt, in Dänemark der Vater. In unlösbaren Fällen könnte ein dritter EU-Staat für Oliver Recht sprechen.
Sollte das Verfahren gegen die Kindesmutter negativ verlaufen, kann Marion Weilharter dagegen berufen.
Stößt der EGMR in Straßburg bei nicht-dänischen Elternteilen auf Menschenrechtsver­letzungen, muss Dänemark darauf reagieren.

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