OGH-Präsident: "Nicht alles kriminalisieren"

OGH-Präsident: "Nicht alles kriminalisieren"
Das Höchstgericht zeigt Grenzen auf: Freispruch für einen Beamten, der Adressen für eine Hochzeitsliste abfragte.

Ein Wiener Finanzbeamter will zu seiner Hochzeit einen Cousin und eine Cousine einladen, die er seit 30 Jahren nicht mehr gesehen hat. Er kennt deren aktuelle Adressen nicht, also schaut er im Amt in seinen Computer. Ist das schon Amtsmissbrauch?

"Er wollte den Leuten, deren Daten er abgefragt hat, ja etwas Gutes tun", attestiert der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Eckart Ratz: "Die haben die Einladung mutmaßlich ja gern angenommen." Der Finanzbeamte wollte sie also keinesfalls schädigen. Obwohl: Als Hochzeitsgast muss man ein Geschenk mitbringen, ob also jeder von der Einladung unbedingt so angetan war ...

Aber das ist gar nicht die eigentliche Begründung dafür, dass der Finanzbeamte letztlich freigesprochen wurde. Er hat deshalb keine Straftat begangen, weil er bloß Meldedaten abgefragt hat, die jeder andere auf andere Weise (z. B. im Telefonbuch oder gegen Gebühr beim Zentralen Melderegister) auch erfahren hätte. Das ist ein Befugnismissbrauch, das mag disziplinär sein, kriminell ist es nicht.

Saftige Strafe

Das sagt nicht irgendjemand, sondern der oberste Strafrichter Österreichs, als Vorsitzender eines Spezialsenats für Amtsmissbrauch und Korruption. Im KURIER-Interview nach seiner Ernennung hatte Ratz die Schaffung eines solchen Fachsenats angekündigt, am Montag fand die erste Berufungsverhandlung statt. Der Finanzbeamte war in erster Instanz zu 18.000 Euro Geldstrafe verdonnert worden.

Ratz will Grenzen "zwischen disziplinärem und strafrechtlichem Verhalten" aufzeigen: "Damit nicht alles kriminalisiert wird. Denn wenn alle kriminell sind, ist keiner mehr kriminell." Aus persönlicher Neugier mit einer Datenabfrage etwa in Erfahrung zu bringen, "ob der X und die Y schon geschieden sind, ist Amtsmissbrauch".

Private Abfragen sind also gefährlich, aber kriminell sind sie erst, wenn sehr sensible geheime Informationen aufgedeckt werden. Der Finanzbeamte hatte mit seiner Adressenrecherche zwar auch andere Daten aufgerufen, an diesen aber war er gar nicht interessiert.

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