Norwegens Justizministerin: „Es geht nicht um Rache“

Norwegens Justizministerin: „Es geht nicht um Rache“
Grete Faremo im Interview über die größte Herausforderung ihrer Karriere.

Der Prozess gegen Anders Behring Breivik ist für Grete Faremo die bisher größte Herausforderung ihrer Karriere: Seit November des Vorjahres ist Faremo Justiz- und Polizeiministerin von Norwegen, das Gerichtsverfahren gegen den Utøya-Schützen polarisiert – in Norwegen wie im Rest der Welt. Anlässlich eines Arbeitsgesprächs mit Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner sprach sie mit dem KURIER über den 22. Juli 2011, Fehler der Behörden – und den Gedanken an Rache.

KURIER:

Frau Ministerin, die Attacken am 22. Juli 2011 waren die schlimmsten in der jüngeren Geschichte Norwegens. Hat die Polizei Fehler gemacht?

Grete Faremo:

Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine vergleichbaren Angriffe in unserem Land. Ich war damals Verteidigungsministerin und habe an diesem Tag an einer Zeremonie teilgenommen, bei der wir heimkehrende Soldaten aus Afghanistan mit Medaillen ehrten. Es hat stark geregnet, ich war durchnässt, bin nach Hause gefahren und dort habe ich die Explosion gehört. Obwohl weit entfernt, war mir sofort klar: Das war kein Donner. In der Minute haben wir begonnen, Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Aber hätten die Angriffe verhindert werden können?

Es ist zu früh, das zu beantworten. Regierung und Parlament haben eine Kommission eingerichtet, die im August ihr Prüfergebnis vorlegt. Fest steht, wir können die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Institutionen verbessern, und wir denken nach, ob unser Geheimdienst mehr Möglichkeiten bekommt. Der Geheimdienst hätte vermutlich Dinge tun müssen, die eine offene Gesellschaft nicht gewohnt ist – anders hätte man einen einsamen Wolf wie Breivik nicht finden können.

Haben Breiviks Attentate Ihr Land traumatisiert?

Norwegen ist eine lebendige Demokratie. Viele Menschen haben die Ereignisse hart getroffen, aber es gibt einen starke Bewegung der Fürsorge. Wenn jetzt etwa die Opfer der Attentate das Gerichtsverfahren mitverfolgen, stellt sie das vor erhebliche Herausforderungen (Traumatisierungen, etc. Anm.). Die öffentliche Hand unterstützt sie nach besten Kräften. Wir versuchen das zu tun, was nötig ist, gleichzeitig aber noch besser aufeinander aufzupassen. Unmittelbar nach den Angriffen waren es ja die jungen Menschen, die gesagt haben: Wir sind eine Demokratie, eine offene Gesellschaft – und das muss so bleiben. Wir wollen, dass die Gerichte den Angreifer richten. Aber es geht nicht um Rache, es geht darum, dass der Rechtsstaat obsiegt.

Breivik nutzt den Prozess als Bühne. Wie geht es Ihnen damit als Justizministerin – immerhin gab es Diskussionen, ob man die Einvernahme im Fernsehen zeigen soll.

Der Prozess läuft bis jetzt mit jener Würde und Sorgfalt, die ein derartiges Verfahren braucht. Und insbesondere die Opfer wie auch ihre Familien teilen derzeit meine Einschätzung.

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