Neue Fragen zur Berliner Prügelorgie
Mit immer neuen kruden Details findet die letzte tödliche Prügelattacke in Berlin nun ihren Weg in die breite deutsche Öffentlichkeit. Derzeit macht sie ein Interview des mutmaßlichen Haupttäters, das er unbehelligt Bild in der Türkei gab, fassungslos. Konsequenzen der Berliner Politik aus den häufigen Prügelorgien in der Hauptstadt sind nicht in Sicht.
Vor zwei Wochen wurde der 20-jährige, aus Thailand stammende Jonny K. um drei Uhr früh in der belebten U-Bahnstation Alexanderplatz von sieben jungen Männern ohne Anlass brutal zu Tode geprügelt. Nach den gezielten Tritten gegen den Kopf bespuckten die Täter das bewusstlose Opfer, das am nächsten Tag starb. Eingeschritten war niemand, eine öffentliche Videoüberwachung gibt es wegen des Widerstands des linken Lagers an der Stelle nicht, obwohl sie ein zentraler Verkehrsknoten und einer der gefährlichsten Orte Berlins mit hunderten Delikten im Jahr ist.
Die Ermittlungen der Polizei kamen erst voran, als sie eine Belohnung aussetze und in der Presse streute, dass sie den Tätern auf der Spur sei. Dann erst bekam sie Dutzende Tipps, die zur Verhaftung zweier Verdächtiger führten. Als diese bekannt wurde, stellten sich zwei weitere gleich mit ihren Anwälten. Alle sind Deutsch-Türken im Alter von 18 bis 21 Jahren, die aber einen flüchtigen Landsmann als Haupttäter identifizierten.
Reaktionen
Was die Hauptstadt-Presse und Politiker wie den Berliner Innensenator und CDU-Chef Frank Henkel "wundert", war die Reaktion des Haftrichters: Der schickte drei der vier Männer gegen den Protest des Staatsanwalts wieder nach Hause, nur ein Verdächtiger ist bisher in Haft. Der Berliner Grünen-Fraktionschef hingegen verteidigte die Entscheidung des Haftrichters, die die Staatsanwaltschaft inzwischen weiter bekämpft.
Noch mehr empörte die Lokalpresse, was aus Ermittlungen nach außen drang: Der vermutliche, wegen Gewalt vorbestrafte Haupttäter aus einer deutsch-türkischen Familie mit einem für Drogenhandel stadtbekannten Oberhaupt, hat sich "in der Mercedes S-Klasse in die Türkei abgesetzt". Journalisten, die recherchierten, würden aus dem Umfeld "massiv bedroht", berichtete Die Welt. Der bekannte SPD-Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkovsky, hatte dieses Milieu als das größte Problem Berlins mit der "gescheiterten Integration" bezeichnet.
Auf die nationalen Titelseiten bringt den Fall nun das Interview von Bild mit dem angeblichen Haupttäter Onay U., das er gemütlich in einem Istanbuler Café gab. Darin nennt der 19-jährige Amateurboxer die Vorwürfe "Schutzbehauptung" der Mittäter und verspricht, sich "in einer Woche" in Berlin zu stellen.
Es wäre eine Ausnahme: Bisher nutzten deutsch-türkische Verdächtige aus Berlin ihre den deutschen Behörden unbekannte türkische Staatsangehörigkeit fast immer dazu, sich ihnen zu entziehen. Für die Annahme der deutsche Staatsbürgerschaft ist der Verzicht auf die türkische Bedingung.
Von der Staatsanwaltschaft ist keine Stellungnahme zu bekommen. Polizeigewerkschafter verweisen darauf, dass deutsche Ermittler, anders als Bild, bei Festnahmen von türkischen Behörden abhängig seien.
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