Mohammed-Film: "Wie ein Messer im Nacken"

Mohammed-Film: "Wie ein Messer im Nacken"
Libanon: Der Hisbollah-Aufruf zu Protesten gegen den Mohammed-Film droht die Lunte am politischen Pulverfass des Nahen Ostens zu entzünden.

Der Mohammed-Schmähfilm sorgt für heftige Turbulenzen im Libanon. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah rief am Montag zu Protesten gegen den Film auf. Die USA müssten für den Film, der in den Vereinigten Staaten gedreht wurde, verantwortlich gemacht werden. Eine Ansage, die nicht nur eine Botschaft nach außen darstellt, sondern auch im labilen inner-libanesischen Gefüge für Unruhe sorgt. Nahe ist der Bürgerkrieg in Syrien, der auch die Lager im Libanon spaltet. Die Hisbollah steht hinter dem Assad-Regime. Und unter Sunniten regt sich Ärger über Versuche der Hisbollah, ihren Einfluss auszubauen.

Im nordlibanesischen Tripoli war es bereits zu Demonstrationen gegen den Film gekommen. Hier waren es die Sunniten, die auf die Straße gingen. In Tripoli will keiner etwas wissen von der Hisbollah und ihren Aktionen. "Sie versuchen, ihren Einfluss auch in Tripoli auszubauen", sagt Haled Iid, ein Sunnit, über die schiitische Miliz. Aber hier hätten sie keine Chance. "Wenn hier ein Hisbollah-Spion durch die Tür kommt, geht er durchs Fenster wieder hinaus", sagt er. Tripoli, das ist eine Hochburg der Sunniten – und ein Beispiel dafür, wie labil der Friede im Libanon tatsächlich ist. Erst vor wenigen Wochen hatten sich hier Alawiten und Sunniten tagelang schwere Gefechte geliefert.

Märtyrer

Mohammed-Film: "Wie ein Messer im Nacken"

"Märtyrer" nennt Haled Iid die Toten dieser Kämpfe. Er geht durch die Gassen seines Viertels in Tripoli, schlendert zwischen Panzern der Armee, den Barrikaden der Sunniten aus Sandsäcken und Betonblöcken, vorbei an Geschäften in Ruinen. Er schüttelt Hände, grüßt seine Leute, der Mann um die 60 mit dem langem weißem Bart. Er zeigt die Einschusslöcher, Krater von Granaten-Explosionen, die riesigen Poster mit den Porträts der Getöteten. Und er sagt: "Sie bereiten sich vor, das wissen wir – und darum bereiten auch wir uns vor." Er deutet auf eine Gasse, die hinter einem schmalen Streifen Ödland in das Viertel am Hügel auf der anderen Seite der Straße führt. Und dort sind "sie". Die Alawiten. Haled Iid sagt: "Es kann jederzeit wieder losgehen – jederzeit."

Was sich in Tripoli abgespielt hat, das ist der syrische Bürgerkrieg im Kleinformat. Nur, dass es hier nicht um den Sturz eines Regimes ging, sondern rein um den Hass zwischen Ethnien und Konfessionen. Sunniten gegen Alawiten. Oder Alawiten gegen Sunniten – je nach Perspektive. In Syrien führt die Revolution durch den eskalierenden Krieg zunehmend zu einem ethnischen Konflikt, spaltet das Land mehr und mehr in ein revolutionäres sunnitisches Lager und ein Regime-treues alawitisches sowie christliches Lager. Eine Spaltung, die sich in den Libanon weiterträgt. Und die Angst besteht, dass es zu einem offenen Konflikt kommt. Denn alle beteiligten Lager sind auch im Libanon bewaffnet bis an die Zähne.

In Tripoli war es ein Krieg zwischen Stadtvierteln, die nur schmale Gassen trennen. Die Alawiten, die den größten Teil eines Hügels in der Stadt bewohnen, gegen die Sunniten, die 90 Prozent der Bewohner von Tripoli stellen. Offiziell starben 20 Menschen. "Mindestens 50 waren es alleine auf unserer Seite", sagt dagegen Haled Iid.

"Wir Sunniten sind stark", sagt er, streift sich durch den Bart. "Stark, weil wir eine Idee haben, eine Vorstellung, einen Glauben. Aber wir sind friedliche Menschen – wenn man uns aber angreift, dann verteidigen wir uns bis zum letzten Tropfen Blut." Genau das hätten sie getan, die Sunniten hier in Tripoli. Die Poster mit den Gesichtern der Toten sollen davon Zeugnis ablegen. Die "Märtyrer" posieren darauf mit Kalaschnikows und Panzerfäusten.

Nur die Armee steht zwischen den Streitparteien. Alle paar Hundert Meter ein Panzer, Checkpoints zwischen den Stadtteilen. Alle sind sich einig, dass dieser Zustand keine Lösung ist – ob Sunnit, Alawit, Schiit, Druse oder Christ. Aber auch, dass eine Eskalation niemandem nutzt.

Während der syrischen Besatzung im Libanon waren die Alawiten das Rückgrat Damaskus’ – wie sie es auch heute noch innerhalb Syriens sind. "Sie haben uns abgeschlachtet, geraubt, vergewaltigt", sagt ein Mann, dessen Kaffeestand während der Kämpfe zerstört wurde. "Es ist wie ein Messer im Nacken." Er deutet auf die andere Straßenseite. "Die Alawiten sind keine Menschen – sie beten zu Bashar ( Syriens Präsident Bashar al Assad, Anm. ) und zu den Ärschen von Frauen."

"Wir wollen in Frieden zusammenleben", sagt Haled Iid, der sich selbst den Salafisten nahestehend sieht. "Wir wollen nicht kämpfen."

Dasselbe sagt ein junger Mann nur einige Hundert Meter weiter auf dem Hügel. Ein Alawit. Er steht unbewaffnet an einem Posten, bestehend aus einigen Betonblöcken, die in die Straße ragen, und einem Fass, in dem eine libanesische Fahne steckt. "Wir wollen nicht kämpfen – wir müssen uns aber verteidigen dürfen." Nur das hätten sie getan. Und nur das würden sie wieder tun – jederzeit. Eines sei sicher: "Sie bereiten etwas vor – und darum bereiten auch wir uns vor." Und "sie", das sind aus seiner Sicht die Sunniten.

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