Mehr als Genügend für Schmied?

Mehr als Genügend für Schmied?
Zeugnisvergabe für die Bildungspolitik: Werner Amon gegen Harald Walser – der schwarze und der grüne Bildungssprecher im KURIER-Streitgespräch.

Einen Einser kann ich uns nicht geben", sagt Werner Amon. „Ein Gut. Wir sind ja in einer Koalition." Er scherzt. Der ÖVP-Bildungssprecher Amon und die SPÖ-Ministerin Claudia Schmied loben sich selbst als „Reformpartnerschaft". Gestern bekamen die ersten Absolventen der Neuen Mittelschule ihre Abschlusszeugnisse. 3600 werden es heuer sein, bis 2018 soll die NMS die Hauptschule ganz ersetzen – ein Kompromiss von SPÖ und ÖVP, die sich nicht auf die Gesamtschule einigen konnten.

Zum Schulschluss hat der KURIER Amon und Harald Walser, den Bildungssprecher der Grünen, zum Streitgespräch über den Zustand der Bildungspolitik gebeten.
Walser, der Direktor des Gymnasiums Feldkirch und nach eigener Aussage „ein gutmütiger Lehrer", benotet weit strenger als Amon.

KURIER: Herr Walser, wieso 4– ?
Harald Walser: Die Kandidaten haben kein Ziel erreicht. Aber ein Bemühen war erkennbar.
Werner Amon: Wir haben viele Weichen gestellt, denken Sie an die NMS, die Oberstufenreform, die Zentralmatura.
Walser: In Österreich werden die Kinder weltweit noch immer am frühesten getrennt. Und Herr Amon sagt ja: Das Gymnasium bleibt.
Amon: Versprechen gehalten! Die NMS ist keine Sackgasse. Jedem Kind wird die Allgemeinbildung ident mit der AHS gelehrt. Das ist eine wesentliche Weiterentwicklung der Hauptschule.
Walser: Der Übertritt von der NMS in die AHS ist de facto nicht möglich. Die AHS ist überfüllt. Als Direktor hatte ich viele solche Fälle, konnte Hauptschüler nicht nehmen, die in der ersten Leistungsgruppe nur Einser hatten.

Sie sammeln solche Fälle – wieso kämpft ein grüner Bildungssprecher für die AHS?
Walser: Nicht für die AHS – ich kämpfe für Bildungsgerechtigkeit. Solange die ÖVP keine moderne Schule zulässt, ist das eine Notwehraktion gegen die Benachteiligung des ländlichen Raumes und von Kindern aus bildungsfernen Schichten.
Amon: Probleme haben wir ja eher in den Ballungszentren. Wo die Hauptschule zu einer Restschule verkommen ist. Deshalb haben wir mit der NMS einen neuen Schultyp geschaffen.
Walser: Der Erfolg ist bescheiden. Gerade der ländliche Raum ist benachteiligt. Im ersten Wiener Bezirk melden sich 94 Prozent für die AHS an, in Hermagor 0,8 Prozent.

Die Zentralmatura kommt 2015, ein Jahr später als geplant. War es der Druck der Lehrer- und Schülervertreter? Hatten Sie Angst, das Thema holt Sie im Wahlkampf ein?
Amon: Wir hatten negative Erfahrungen in den Tests und wollten allen Zeit geben, die sich nicht vorbereitet fühlen.
Walser: Das ist eine Blamage. Die Leidtragenden sind die jetzigen Sechstklässler, die sich zwei Jahre gut vorbereitet haben. Das war ein Kniefall der Regierung vor ÖVP-nahen Organisationen.
Amon: So bestehen sie die Reifeprüfung für eine Regierungsbeteiligung nicht.
Walser: Sie sind durchgefallen, wenn sie Gesetze beschließen und sie dann wieder zurücknehmen müssen.
Amon: Sie müssen kompromissbereiter sein. Jeder Lehrer wird Ihnen bei der Matura sagen: Lösen Sie zuerst die Beispiele, die sie gut können.
Walser: Dann lassen Sie als ÖVP die Finger von der Bildung. Wir werden individualisierten Unterricht und die Gesamtschule umsetzen.
Amon: Für manche sind das gefährliche Drohungen.
Irgendwas muss aber wohl passieren: Österreich fällt in internationalen Studien immer weiter zurück.
Amon: Wenn ein Drittel nicht sinnerfassend lesen kann, ist das schlimm. Aber wir müssen die Ursache erforschen: Die Volksschule muss zuverlässig sein. Das ist übrigens Österreichs einzige Gesamtschule – und am Ende sind die Kinder nicht sicher in Lesen, Schreiben, Rechnen.
Walser: Das ist dramatisch. Aber noch dramatischer ist, dass sich die Lesekompetenz von der Volksschule bis zum PISA-Test (Studie unter 15-Jährigen) noch verschlechtert.
Amon: Das sind zwei unterschiedliche Tests, die kann man nicht vergleichen, bleiben Sie seriös.

Die Lösung der Grünen ist die Gesamtschule. Aber Länder mit Gesamtschule haben tendenziell eine höhere Jugendarbeitslosigkeit als wir.
Walser: Österreichs Bildungswesen hat zwei herzeigbare Elemente: Die duale Ausbildung (in Betrieb und Berufsschule) und das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen.
Amon: Schön, dass sie das auch erkennen.
Walser: Deshalb haben wir eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Nicht weil die Sekundarstufe so gut wäre.

Vor Kurzem wurde das Bildungsvolksbegehren „enderledigt“. Die Grünen reden von einer Blockade. Aber Sie sagen, „neue Standards“ seien gesetzt worden, Herr Amon?
Amon: Ja. Vertreter der Opposition und des Volksbegehrens wollten, dass wir Forderungen gleich in Gesetze gießen. In der Kürze waren wir aber nicht in der Lage, alle Fragen zu klären, die Sozialpartner, Schulpartner, Länder betreffen. Inhaltlich war die Differenz nicht so groß.
Walser: Die Regierung war nicht einmal dort zu konkreten Beschlüssen bereit, wo wir uns alle einig waren. Das ist beschämend. Gesetze sollten im Parlament gemacht werden – und nicht bei Verhandlungen außerhalb.

Auch bei den Verhandlungen zum Lehrer-Dienstrecht geht nicht viel weiter.
Amon: Es laufen Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das ist gute Tradition hierzulande. Wenn es keine Einigung gibt, muss man sich politische Entscheidungen überlegen.
Walser: Das Szenario ist klar – 2013 wird gewählt, davor passiert nichts. Die Materie wird uns in der nächsten Legislaturperiode verfolgen.

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