Lettland: Streit um Amtssprache Russisch
In Lettland sind derzeit nicht nur die Temperaturen frostig, sondern auch das Verhältnis zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen, den lettisch- und den russischsprachigen Bewohnern. Seit der Unabhängigkeit von Moskau 1991 gelten die etwa 27 Prozent ethnischen Russen, deren Vorfahren vom Kreml angesiedelt wurden, als Bürger zweiter Klasse. Und oft nicht einmal das: Automatisch Staatsbürger wurde nach 1991 nur, wer bereits vor der Besetzung Lettlands durch Moskau im Zweiten Weltkrieg dort gelebt hatte oder von Letten abstammte.
Das führt dazu, dass bis heute 15 Prozent der 2,3 Millionen Einwohner „Nichtbürger“ sind, die zwar ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht haben, aber unter anderem vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Wer das ändern will, muss einen international immer wieder kritisierten Test über Geschichte und Kultur des baltischen Landes ablegen und Kenntnisse des Lettischen nachweisen – der einzigen Amtssprache.
Zumindest Letzteres könnte sich ändern, wenn ein Referendum am Samstag von der Mehrheit der Wähler befürwortet wird. Sein Initiator, die Bürgerbewegung „Muttersprache“, fordert die Anerkennung des Russischen als zweite Amtssprache, was die tägliche Diskriminierung vieler Russen im Arbeits- und Privatleben bekämpfen soll.
Moskau wirbt für ein Ja
Die Volksabstimmung schlägt hohe Wellen, auch im Ausland. Moskau, dessen Beziehungen zu Lettland seit jeher problematisch sind, wirbt für ein „Ja“, ebenso die pro-russische, lettische Partei „Harmoniezentrum“, die zwar die Parlamentswahlen 2011 gewonnen hat, aber nicht an der Regierung beteiligt wurde. Staatspräsident Andris Berzins dagegen macht Stimmung gegen das Referendum: Er droht mit Rücktritt, sollte Russisch zweite Amtssprache werden.
Damit stößt Berzins auf offene Ohren. Viele Letten sehen ihre russisch-stämmigen Mitbürger als „fünfte Kolonne“ Moskaus, das Lettland wieder an sich binden wolle. Dazu gehört auch die Vorsitzende des Parlaments in Riga, das den zur Abstimmung stehenden Gesetzesentwurf abgelehnt hat. „Falls Lettisch nicht mehr die einzige Amtssprache wäre, wäre Lettland überhaupt kein anderer Staat mehr“, wetterte Solvita Albotina jüngst. Nationalistische Abgeordnete versuchten gar, das Referendum per Gerichtsbeschluss zu verhindern – ohne Erfolg.
Dass Russisch tatsächlich zweite Amtssprache wird, ist unwahrscheinlich. Um die Verfassung entsprechend zu ändern, müsste mindestens die Hälfte der 1,5 Millionen Wahlberechtigten abstimmen. In Umfragen spricht sich zudem nur ein Drittel der Befragten für Russisch als zweite Amtssprache aus.
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