Lawine überlebt: Für Experten ein "Wunder"

Lawine überlebt: Für Experten ein "Wunder"
Ein Südtiroler Tourengeher lag über vier Stunden unter den Schneemassen. Durch ein Luftloch konnte er atmen.

Der Fall jenes Südtirolers, der am Mittwoch nach über vier Stunden lebend aus einer Lawine geborgen worden war, grenzt laut dem Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin an der EURAC in Bozen, Hermann Brugger, an ein "Wunder". "Der wichtigste Faktor für das Überleben ist die Sauerstoffzufuhr", erklärte Brugger, denn sie sei dafür verantwortlich, dass die Körpertemperatur nicht rapide absinke. Lediglich zehn Prozent aller Lawinenopfer würden jedoch eine Verschüttung jenseits von zwei Stunden überleben.

Der 39-Jährige habe also insofern "großes Glück" gehabt, dass er nicht nur eine Atemhöhle, sondern auch eine Verbindung nach außen gehabt habe, betonte Brugger. Ohne Atemhöhle sei das Schicksal innerhalb von 35 Minuten besiegelt, mit Atemhöhle aber ohne Sauerstoffzufuhr hätten die Verschütteten im besten Fall bis zu zwei Stunden eine Chance. Bei ausbleibender Sauerstoffzufuhr sinke nämlich die Körpertemperatur mit bis zu neun Grad pro Stunde. Und unter 32 Grad komme es zu Herzrhythmusstörungen und in weiterer Folge zum Herzstillstand.

Körpertemperatur sank auf 35 Grad Celsius

Der Südtiroler hatte zum Zeitpunkt der Einlieferung in das Krankenhaus immer noch eine Körpertemperatur von 35 Grad aufgewiesen. "Das ist erstaunlich, da der Mann insgesamt vier Stunden und 20 Minuten unter dem Schneebrett lag", sagte der Experte. Die Atemhöhle habe sich dadurch gebildet, dass der Tourengeher unter sogenannten Schneeschollen zum Liegen kam, die durch windgepressten Schnee gebildet worden waren. Diese hätten einen Spalt für die Sauerstoffzufuhr offen gelassen.

Der 39-Jährige war Mittwoch früh alleine zu einer Tour auf die Königsangerspitze aufgebrochen. Bei der Abfahrt gegen 10.00 Uhr wurde er von der Lawine erfasst und unter den Schneemassen begraben. Weil er sich gegen 12.00 Uhr zu Hause nicht zurückgemeldet hatte, schlug sein Bruder Alarm. Gegen 14.00 Uhr wurde der Verschüttete schließlich von den Bergrettern entdeckt und mit dem Rettungshubschrauber Pelikan 2 zur Kontrolle ins Krankenhaus Brixen geflogen.

Gute Kleidung als Lebensretter

Neben dem wichtigen Faktor Sauerstoffzufuhr habe sicher auch die gute Kleidung ein allzu schnelles Auskühlen verhindert, erläuterte Brugger: "Auch die isolierende Schneedecke trägt ihres dazu bei." Laut seinen Schilderungen habe der 39-Jährige kaum Kälte verspürt und auch kein Kältezittern gehabt, berichtete der Mediziner, der mit dem Mann nach seinem Lawinenunfall sprach. Das liege vermutlich daran, dass die CO2 angereicherte Atemluft zu einer Gefäßerweiterung an der Körperperipherie geführt habe.

Ihm sei nur ein extremerer Fall bekannt, sagte Brugger. Vor rund zehn Jahren habe ein Tourengeher im Sarntal rund 24 Stunden unter einer Lawine gelegen und überlebt. Dem Verschütteten war es damals gelungen, durch Rütteln an seinem Skistock ein Loch freizulegen, das eine Luftzufuhr ermöglichte.

Salzburger in Bayern verunglückt

Weniger Glück hatte ein Skitourengeher aus Neumarkt am Wallersee im Salzburger Flachgau, der Mittwochnachmittag in Bayern tödlich verunglückte. Der 33 Jahre alte Freizeitsportler hat bei der Abfahrt vom Hochkalter bei Berchtesgaden in einer Rinne ein Schneebrett ausgelöst. Diese Lawine riss ihn über eine Felswand 300 Meter tief ins Ofental hinunter. Der Salzburger dürfte sich bei diesem Sturz so schwer verletzt haben, dass er sofort tot war.

Der Begleiter des tödlich Verunglückten, ein ebenfalls 33-jähriger Tourengeher aus Grödig, konnte wegen seines eingefrorenen Handys keine Hilfe rufen. Erst gegen 18.00 Uhr erreichte er bei Dunkelheit völlig erschöpft das zufälligerweise noch besetzte Klausbachhaus, von wo aus die Polizei und die Bergwacht Ramsau verständigt wurden. Der schwer geschockte Skitourengeher wurde vom Kriseninterventionsdienst der Bergwacht psychologisch betreut.

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