Langes Ringen um Shalits Freilassung

Langes Ringen um Shalits Freilassung
Ausschlaggebend für den Austausch war die Revolution in Ägypten und die Initiative der palästinensischen Führung.

Das Hoffen und Bangen für Noam und Aviva Shalit hat ein Ende: Ihr am 25. Juni 2006 in die Gefangenschaft von palästinensischen Extremisten geratener Sohn, der Soldat Gilad Shalit, ist am Dienstag nach fünf Jahren freigelassen worden und konnte nach Israel zurückkehren. Israel soll im Gegenzug insgesamt 1027 palästinensische Häftlinge freilassen. Ausschlaggebend für das Zustandekommen des Austausches waren die Revolution in Ägypten und die Initiative der palästinensischen Führung, die Aufnahme in die Vereinten Nationen zu beantragen.

In der Vergangenheit hatten sich Hoffnungen auf Shalits Freilassung schon öfter zerschlagen. Seit Anfang Oktober 2009 gab es kein Lebenszeichen des Soldaten. Die Bemühungen um seine Heimkehr waren dagegen zahlreich:

25. Juni 2006, 05:40 Uhr: Bewaffnete Palästinenser eröffnen das Feuer auf den Panzer des Soldaten Shalit, wenige hundert Meter vom Dreiländereck Ägypten-Israel-Gazastreifen und dem Kibbuz Kerem Shalom entfernt. Die Kämpfer des militärischen Arms der Hamas hatten zuvor unbemerkt unter dem Grenzzaun einen Tunnel im Sandboden gegraben und waren auf israelisches Territorium vorgedrungen. Bei dem Überfall werden zwei Soldaten getötet. Shalit, an der Schulter verletzt, wird von den Kämpfern der "Ezzedin-al-Kassam-Brigaden" durch den Tunnel nach Rafah verschleppt. Die Folge ist eine Militäroffensive Israels.

Juni 2008: Die erste und zugleich letzte Audio-Botschaft von Shalit aus seiner Gefangenschaft.

August 2008: Als Geste gegenüber dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas will Israel 199 palästinensische Gefangene freilassen.

Oktober 2008: Die Hamas legt ihre indirekten Verhandlungen mit Israel über die Rückgabe Shalits auf Eis. Damit will sie die ägyptischen Vermittler dazu bewegen, ein militantes Mitglied der Organisation, Ayman Nofal, aus dem Gefängnis zu entlassen.

März 2009: Der Gefangenenaustausch zwischen Israel und Hamas scheitert erneut. Beide Seiten können sich nicht auf eine Liste von 450 freizulassenden Palästinensern einigen, die unter anderem wegen der Planung oder Beteiligung an tödlichen Anschlägen in Israel lebenslange Freiheitsstrafen verbüßen.

September 2009: Israelische Medien veröffentlichen den ersten aus der Gefangenschaft geschriebenen Brief Shalits. Der junge Mann durfte in den vergangenen fünf Jahren nur drei Briefe und eine Audio- und eine Videobotschaft als Lebenszeichen verschicken.

2. Oktober 2009: Israel lässt im Austausch für ein Lebenszeichen Shalits 20 Palästinenserinnen frei. Dafür erhält es ein 2:42 Minuten langes Video von Shalit mit einer Tageszeitung in der Hand, um sich der Aktualität zu vergewissern. Seitdem existiert von ihm bis zum Tag seiner Freilassung kein weiteres Lebenszeichen.

Die Hamas gewährt ihm keine Besuche des IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz), wie es das internationale Kriegsrecht laut Genfer Konventionen vorsieht. Sie befürchtet, dass Israel mit Hilfe der IKRK-Mitarbeiter den Aufenthaltsort Shalits ermitteln und ihn dann befreien könnte. IKRK-Vertreter führten nach eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren Geheimverhandlungen mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation, um Zugang zu Shalit zu bekommen.

November 2009: Die Verhandlungen über den Gefangenenaustausch im Nahen Osten unter deutscher und ägyptischer Vermittlung scheinen in der entscheidenden Phase: Israel soll für Shalit rund 1.450 Palästinenser freilassen. Doch letztlich können sich die beiden Seiten nicht darauf einigen, welche palästinensischen Häftlinge freikommen sollen.

Dezember 2009: Die Hamas erklärt in Gaza, das zuletzt nach langen Debatten von der israelischen Regierung unterbreitete Angebot betreffend Zahl und Identität der im Gegenzug freizulassenden Palästinenser werde nicht akzeptiert. Der Vermittler des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) sei gebeten worden, seine Bemühungen fortzusetzen. Israel hatte sich zuvor bereiterklärt, im Austausch für die Freilassung Shalits rund 1.000 Palästinenser auf freien Fuß zu setzen.

Februar 2010:
Die im Gazastreifen herrschende Hamas setzt die Verhandlungen mit Israel über einen Gefangenenaustausch erneut aus. Die derzeitigen Umstände machten eine Fortsetzung der indirekten Gespräche unmöglich. Die Verhandlungen seien nach dem Tod des Hamas-Führers Mahmoud al-Mabhouh im Jänner 2010 gestoppt, aber nicht vollständig abgebrochen worden.

April 2010: Die Hamas will Israel mit neuen Methoden zu einem raschen Häftlingsaustausch drängen. Sie veröffentlichte einen gut dreiminütigen Computer-Animationsfilm, der die israelische Öffentlichkeit warnt: Shalit könnte ein trauriges Schicksal erleiden.

Oktober 2010: Nach Monaten des Stillstands kommt mit deutscher Hilfe wieder Bewegung in die Verhandlungen. Premier Benjamin Netanyahu bestätigt, dass ein von beiden Seiten akzeptierter Unterhändler die Region besucht habe, um die Freilassung Shalits zu erreichen. Die Hamas will Shalit im Austausch gegen 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser freilassen. Netanyahu hatte sich zuvor prinzipiell zu einem Austausch bereiterklärt, wollte aber keine Palästinenser freilassen, die bei tödlichen Angriffen auf israelische Zivilpersonen mitgewirkt haben. Seine Weigerung hatte dazu geführt, dass die Gespräche für mehrere Monate eingefroren waren.

2. Juni 2011: Im Bemühen um die Freilassung Shalits finden in Kairo - vier Monate nach dem Sturz des Regimes von Machthaber Hosni Mubarak - neue Vermittlungsgespräche statt. Vertreter aus Deutschland, der Türkei und aus Katar kommen in der ägyptischen Hauptstadt laut palästinensischen Vertretern in Ramallah zusammen.

27. Juni 2011: Die deutsche Regierung bestätigt, dass sie einen neuen Vermittlungsvorschlag für die Freilassung Shalits vorgelegt hat. Dieser Vorschlag sei von der israelischen Regierung akzeptiert worden, hieß es in Berlin. Die Ezzedin-al-Kassam-Brigaden bekräftigen ihre Forderung, den Soldaten nur im Austausch gegen 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser freizulassen. Die Hamas übergibt Journalisten undatierte Videoaufnahmen, auf denen gedroht wird, Shalit werde dasselbe Schicksal haben wie der 1986 im Libanon von schiitischen Milizen gefangen genommene Pilot Ron Arad, solange die Bedingungen der Hamas nicht erfüllt werden. Arads Aufenthaltsort ist bis heute unbekannt; nach manchen Annahmen dürfte er tot sein.

August 2011: Der Besuch von Hamas-Chef Khaled Mashaal in Kairo weckt Hoffnungen auf Gespräche über die Freilassung Shalits. Die in London erscheinende arabische Tageszeitung "Al-Hayat" berichtete, er solle in der ägyptischen Hauptstadt über Shalits Fall verhandeln.

11. Oktober 2011: Nachdem Abbas bei den Vereinten Nationen in New York ungeachtet einer US-Vetodrohung im Weltsicherheitsrat den Antrag auf Vollmitgliedschaft Palästinas gestellt hat, kommt es zum Durchbruch. Netanyahu bestätigt ein Tausch-Abkommen mit der Hamas. Shalit soll gegen 1.027 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden.

18. Oktober 2011: Shalit wird von der Hamas nach Ägypten überstellt und anschließend an Israel übergeben.

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