Küberl: "Er hat den Bremshebel gelockert"

Küberl: "Er hat den Bremshebel gelockert"
Caritas-Präsident Küberl ärgert sich über Korruption, kritisiert das Sparpaket und freut sich über den Mut von Kardinal Schönborn.

Franz Küberl nimmt im KURIER-Interview zu den aktuellen Problemen in Politik und Kirche Stellung. Der Steirer ist seit 1995 Präsident der Caritas-Österreich. Die katholische Hilfsorganisation kümmert sich seit mehr als 100 Jahren um Menschen in Not.

KURIER: Die ÖVP will einen Verhaltenskodex für Politiker. Braucht man so etwas?

Franz Küberl: Politischer Anstand wird am meisten dadurch wahrgenommen, wie man im Parlament miteinander umgeht. Das wäre die Trainingsbühne dafür, wie man Anstand unter die Leute bringt. Dass auch in Parteivorständen über Anständigkeit debattiert wird, halte ich für gescheit. Die Parteien müssen ihre Widerstandsfähigkeit gegen Korruption und Mauschelei nachweisen. Denn das ist politisches Gärgas, das sogar die Demokratie gefährden könnte.

Müssten nicht die vorhandenen Gesetze ausreichen?

Gesetze peilen die Grenzen an. Es kommt aber immer darauf an, wie Menschen damit umgehen. So wie das auf dem Land noch immer vorkommen soll, dass sie bei Nacht und Nebel Grenzsteine versetzen, so scheint das in Politik und Wirtschaft auch nicht ganz unüblich zu sein, dass man möglichst unbeobachtet moralische Grenzsteine verlegt.

Ist die Politik heute korrupter als früher?

Das ist so schwer zu sagen, weil wir von früher weniger wissen. Mir reicht’s jedenfalls, wenn ich höre, was es jetzt alles gibt. Ich bin in einer Institution, die sich seit 2000 Jahren bemüht, die zehn Gebote ins Zentrum zu stellen. Die Regeln, die da sind, müssen immer neu interpretiert werden. Das ist eine permanente politische Aufgabe. Schlendrian darf man sich da keinen erlauben.

Die Regierung hat ein großes Sparpaket beschlossen. Ist dieses Paket gerecht?

Es gibt ein paar Bestimmungen, die in Ordnung sind, einiges ist aber schwierig bis ärgerlich. So wäre es wichtig die Lohnkosten zu senken und dafür die Vermögenserträge stärker zu besteuern. Diesen Austausch gibt es nicht. Das halte ich für einen schweren Fehler.

Was stört Sie konkret?

Ein Beispiel: Unter 50-Jährige sollen keine Invaliditätspension mehr bekommen, sondern ein Rehabilitations-Geld. Aber niemand weiß, ob das AMS das überhaupt bewerkstelligen kann. Denn das AMS ist nicht für Soziales zuständig. Gerade bei Fragen der Invalidität geht es aber sehr oft auch um die soziale Problematik. Diese dramatische Geschichte, wo sich ein Arbeitsloser den Fuß abgeschnitten hat, kann man auch einfach nur als schaurigen Ausritt sehen. Tatsache ist aber: Die Probleme dieser Menschen werden sehr oft weggeschoben.

Tut die Regierung genug gegen die Armut?

Nein, sie tut nicht genug. Sie hat viel versprochen. Bis 2020 soll die Zahl der Armen um 235.000 verringert werden. Aber ich sehe keinen Ansatz. Die Zahl der Arbeitslosen steigt eher.

Was müsste geschehen?

Wir brauchen bundesweite Regeln für die Bekämpfung der Armut. Das kann man nicht den Gemeinden überlassen. Man denke nur an die Obdachlosigkeit. Und der soziale Wohnbau ist verdunstet, weil die Länder nicht mehr verpflichtet sind, die Wohnbauförderungsmittel für den sozialen Wohnbau zu verwenden. Im 19. und 20. Jahrhundert haben sich Parteien gebildet, die das Ziel hatten, die Arbeiterklasse aus ihrem Elend herauszuführen. Das ist gelungen. Jetzt brauchen wir eine ähnliche Initiative gegen die Armut.

Die katholische Kirche steht nach wie vor im Banne der Missbrauchs-Skandale. Wird da genug getan?

Gott sei Dank wird das endlich bearbeitet. Mich persönlich hat aber am meisten schockiert, wie lange die Kirche es zugelassen hat, dass Schwächere, vor allem Kinder, geschlagen, missbraucht und unterdrückt werden. Wie konnte das passieren, dass die Anhänger dieses Jesus das toleriert, zum Teil sogar befürwortet haben? Das muss man wirklich theologisch und historisch aufarbeiten.

Bischof Kapellari warnt vor Kirchenspaltung im Zusammenhang mit der Pfarrer-Initiative. Sehen sie diese Gefahr auch?

Ich sehe diese Gefahr nicht. Die Positionen sind zwar recht weit auseinander, aber es gibt keine Alternative zum Dialog. Es muss auch möglich sein, Unterschiede über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Das sollte die Stärke der katholischen Kirche sein.

Verstehen sie die Anliegen der Pfarrer-Initiative und den Aufruf zum Ungehorsam?

Gegenüber Menschen ist die Frage nicht Gehorsam oder Ungehorsam, sondern Respekt. Der Aufschrei der Pfarrer-Initiative kommt ja aus dem inneren katholischen Milieu. Ich glaube, dass auch die Oberen in Wirklichkeit sehen, was es da wirklich für Nöte gibt. Lösen kann man nur miteinander, nicht gegeneinander.

Kardinal Schönborn lässt einen homosexuellen Pfarrgemeinderat zu. Was halten Sie davon?

Die Entscheidung des Kardinals halte ich für sehr mutig und richtungsweisend. Er hat den Blick auf den ganzen Menschen gerichtet. Es heißt ja immer, dass die Kirche gar nichts verändert: Mit seiner Entscheidung hat der Kardinal auch einen psychologischen Bremshebel gelockert.

Ob andere Bischöfe das auch so positiv sehen ist keineswegs klar. Bisher hat niemand Stellung genommen. Der KURIER hat mehrere Bischöfe um ein Interview gebeten. Alle haben abgesagt.

Der Kardinal hat Fortune bewiesen. Ich nehme an, dass sich die Zurückhaltung mancher Oberer auch positiv auflösen kann. Ich glaube: In diesen Fragen, auch betreffend die Pfarrerinitiative, wird sich viel wieder normalisieren.

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