Kdolsky: „Reformen müssen wehtun“

Kdolsky: „Reformen müssen wehtun“
2,8 Milliarden könnte man allein bei den Spitälern sparen, sagt die Ex-Ministerin. Sie vermisst aber „Druck und zentrale Planung“.

Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky über den Reformstau im Gesundheitsbereich, wehrhafte Patienten – und wie sie 2,8 Milliarden Euro bei den Spitälern einsparen würde:

KURIER: Frau Kdolsky, Sie waren Anästhesistin, Krankenhausmanagerin, zuletzt zwei Jahre Gesundheitsministerin – und sitzen heute in einer Steuerberatungskanzlei. Bei allem Respekt, aber: Langweilen Sie sich da als Ärztin nicht ein wenig?
Andrea Kdolsky:
(Lacht) Keineswegs, zumal mein Unternehmen ja nicht nur Steuerberatung, sondern die ganze Palette der Unternehmensberatung bietet. Ich kümmere mich als Expertin um den Gesundheitssektor, sprich: Ich berate Betreiber von Gesundheitseinrichtungen dabei, wie sie ihre Häuser wirtschaftlicher führen können.

Und die Politik?
Die war spannend – aber ich vermisse sie nicht. Was nicht heißt, ich würde nicht mitverfolgen, was läuft.

Dann haben Sie sicher gehört, dass die Bundesländer 5,2 Milliarden Euro zur Budgetsanierung beitragen wollen – großteils über den Spitalssektor. Ist das realistisch?
Mit gutem Willen wäre viel zu holen. Im Spitalsbereich könnte man 2,8 Milliarden Euro sparen – was ich als Ministerin immer gesagt habe – und zwar ohne die Versorgung zu verschlechtern. Ich bleibe aber beim Konjunktiv.

Warum?
Weil mir der Glaube fehlt, dass die Reformen kommen. Wenn – wie vergangene Woche – Länder, Krankenkassen und Bund erklären, man wolle besser zusammenarbeiten, frage ich mich: Was hat sie die vergangenen 15 Jahre denn daran gehindert? Genau dafür wurden 1996 die Gesundheitsplattformen gegründet. Es fehlt der Mut zu großen Veränderungen. Reformen können nicht allen gefallen, die müssen weh tun. Ohne Druck und zentrale Planung geht gar nichts.

Also die Länder entmachten, dann ist die Finanzmisere im Spitalsbereich gelöst?
So kann man es nicht sagen. Aber in einem Land von der Größe Bayerns müssen Bereiche wie Bildung oder Gesundheit zentral geregelt sein. Derzeit endet das Denken an den Landesgrenzen. Jeder macht, was er will, deshalb haben wir zu viele Spitäler, zu viele Spitalsbetten – und trotzdem zu wenige Plätze für Rehab oder Kurzzeitpflege. Eines meiner Lieblingsbeispiele sind Kittsee und Hainburg: Zwei vollwertige Spitäler, vier Kilometer voneinander entfernt – und das nur, weil das eine in Niederösterreich und das andere im Burgenland steht.

Den Patienten kann es nur Recht sein, wenn sie nicht weit ins Spital fahren ...
Im Gegenteil! Die Patienten müssten sich dagegen wehren, dass Spitäler auf so engem Raum gebaut werden. Das ist teuer und medizinisch gefährlich.

Ein Spital als Risikofaktor? Das klingt paradox ...
Ist es aber nicht. Letztlich geht es um die Fallzahlen, sprich: Wie viele Operationen oder Behandlungen macht ein Spital im Jahr. In manchem Regionalspital machen Ärzte alle möglichen Eingriffe – auch wenn’s nur ein paar Mal im Jahr ist. Da fehlt dann die Routine. Bleiben wir beim Beispiel: Kittsee sollte mit Hainburg vereinbaren: Wir operieren alle Hüften, dafür macht ihrbestimmte interne Behandlungen oder andere OPs. Wir müssen Spitäler ja nicht schließen, aber es braucht Schwerpunkte. Schauen Sie in die Steiermark. Dort wird genau das gemacht.

Kritiker werden Ihnen vorhalten, sie propagieren die Zerstörung des weltbesten Gesundheitssystems.
Wo genau sind wir Weltmeister? Bei der Akut-Medizin vielleicht. Aber insgesamt ist der Output nicht berühmt. Wir geben elf Prozent der Wirtschaftsleistung für das Gesundheitswesen aus, liegen weltweit im Spitzenfeld. Demgegenüber haben wir auffallend viele Frühpensionen, viele Kur-Aufenthalte, die Zahl der Diabetes-Neu-Erkrankungen bei jüngeren Menschen sind beunruhigend, und, und, und. Brutal gesagt: Dafür, was den Österreichern ihr Gesundheitssystem wert ist, sind sie auffallend krank.

Zur Person: Vom OP ins Ministerium

Karriere Kdolsky war 2007 bis 2008 Gesundheitsministerin. Zuvor war sie Anästhesistin am AKH Wien und als Krankenhausmanagerin und medizinische Geschäftsführerin in der NÖ-Landeskliniken-Holding tätig. Derzeit leitet sie die Health Care Services bei PricewaterhouseCoopers.

Autorin In ihrem Buch „Hauptsache gesund: Die unheilbaren Krankheiten des österreichischen Gesundheitswesens“ (21,40 Euro, Goldegg) versucht sie, Patienten das komplizierte Gesundheitssystem zu erklären, um sie zu mündigeren Patienten zu machen. Es erscheint im April.

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