Zwölfstundentag: Wer profitiert? Wer verliert?

Zwölfstundentag: Wer profitiert? Wer verliert?
Die Ausweitung der Höchstgrenze bei der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden kennt Gewinner und Verlierer.

Wer profitiert?

Zu den größten Gewinnern zählt die Tourismusbranche. Was die Betriebe freut, kann für die Beschäftigten eine neue Belastung werden.

Derzeit darf in der Gastronomie und Hotellerie (vor allem in Saisonbetrieben) bei Vollzeitbeschäftigten die tägliche Ruhezeit von elf auf acht Stunden verkürzt werden. Geregelt wird das per Kollektivvertrag. In Zukunft ist das auch bei „geteilten“ Diensten (=mindestens drei Stunden Mittagsunterbrechung) möglich, sie waren bisher ausgenommen. Das heißt: Der Arbeitgeber kann den Kellner wegen der kurzen Ruhezeit länger und flexibler einsetzen – egal ob Saison- oder Ganzjahresbetrieb und auch bei Teilzeitbeschäftigten. Die Gewerkschaft tobt.

Vorteile bringt die Arbeitszeitflexibilisierung auch für die Arbeitgeber im Handel.

Eine wesentliche Neuerung sind die lockeren Regeln für die Wochenendruhe. Bisher waren Ausnahmen von der Wochenendruhe nur durch Verordnung oder per Kollektivvertrag möglich. Künftig soll jeder Arbeitnehmer an vier Wochenenden pro Jahr arbeiten können (es reicht die Zustimmung des Betriebsrates oder eine Einzelvereinbarung mit dem Mitarbeiter). Bei Stoßzeiten kann so kurzfristiger reagiert werden, sagt die Branche. Der besondere Arbeitsbedarf muss vom Arbeitgeber auch nicht mehr begründet werden. Ausgenommen sind zwar Verkaufstätigkeiten, aber der Handel profitiert trotzdem von mehr Flexibilität im Verwaltungsbereich oder bei Lagertätigkeiten.

Auch die Industrie begrüßt die Arbeitszeitflexibilisierung. Neue Schichtmodelle sind möglich.

Die Industrie fordert die Flexibilisierung schon lange. So soll es wesentlich leichter werden, Auftragsspitzen abdecken zu können und dann mehr Freizeit zu gewähren, wenn im Betrieb ohnehin Flaute herrscht. Die Gewerkschaft pocht weiterhin auf das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten über den Zeitpunkt ihres Urlaubs- und Freizeitkonsums.

Pendler und Familien können leichter und öfter von einer 4-Tage-Woche profitieren.

Die Viertagewoche soll länger zusammenhängende Freizeitblöcke ermöglichen, sagt die Regierung. Prinzipiell ist es heute schon möglich, die 40 Stunden Normalarbeitszeit auf vier Zehnstundentage zu verteilen.

Wer verliert?

Arbeitgeber können einen Zwölfstundentag künftig viel leichter als bisher anordnen.
Menschen mit speziellen privaten Interessen (z.B. Familie, Vereinsleben, Sport etc.) oder besonderen Betreuungspflichten (pflegebedürftige Angehörige, Kinder) wollen oder können in der Regel nicht länger arbeiten, auch wenn die Überstunden fair abgegolten werden – in Zeit oder Geld. Wird ihnen die Mehrarbeit aber angeschafft, können sie sich kaum wehren.

Das „Ablehnungsrecht“ bleibt in der Praxis oft Theorie.

Die Regierung sagt, es bleibe prinzipiell beim Achtstundentag. Es werde ja  nur die mögliche Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden erhöht. Und wer die 11. und 12. Stunde nicht leisten wolle, könne das ablehnen. Stimmt so nicht, sagen ÖGB und AK. Die verordneten Überstunden könne man nur aus „überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen. Geschieht das, könne der Chef Arbeitsverweigerung unterstellen und den Mitarbeiter entlassen. Letztlich müsste dann ein Arbeitsgericht klären, ob das private oder betriebliche Interessen gewichtiger war. Der Job ist so oder so weg.  

Beschäftigte mit Gleitzeit dürften wirklich Geld verlieren.
Bei Gleitzeit kommt eine spezielle Regelung: Dort beträgt die Obergrenze der Normalarbeitszeit künftig zwölf Stunden täglich (statt bisher zehn).  Es können daher – ohne jegliche Überstundenzuschläge – zwölf Stunden täglich gearbeitet werden, die Plusstunden werden im Rahmen des Gleitzeitmodells 1:1 ausgeglichen. Dort wo Freiwilligkeit herrscht, ist das kein wirkliches Problem. In der Praxis bleibt die Freiwilligkeit aber auch hier oft theoretisch.

Schlechter gestellt dürften auch Beschäftigte mit All-inclusive-Verträgen werden.
Ähnliches gilt bei All-in-Verträgen, die bereits 25 Prozent aller Beschäftigten haben. Weil ihre  Mehrarbeit ohnehin von vornherein pauschal entlohnt wird, um sich die Einzelabrechnungen zu ersparen, gilt hier: Die Beschäftigten dürften in Zukunft tage- oder wochenweise tatsächlich für das selbe Geld mehr arbeiten. Außer es gelingt mit der Geschäftsführung eine Lohnerhöhung oder eine Erhöhung der Überstundenpauschale zu verhandeln.

Arbeitszeitgesetz: Kritik von der Opposition

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