Wieso es 2000 in den USA keine Wahlwiederholung gab

In Österreich wird verschoben und wiederholt. Anderswo entscheiden Gerichte politisch und wählen das geringere Übel.

Eine extrem knappe Wahl zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten führt dazu, dass das höchste Gericht angerufen wird: Die Situation in den USA im Jahr 2000 erinnert ein bisschen an jene Österreichs im Jahr 2016. Damals wie heute musste ein Gericht entscheiden. Aber während die Verfassungsrichter in Österreich die gesamte Stichwahl aufhoben, hat der Supreme Court in den USA George Bush zum Sieger erklärt.

Der Unterschied zu Österreich? Der Oberste Gerichtshof hat eine Entscheidung gefällt – und zwar eine politische.

Politik und Recht

Österreich versucht ein politisches Problem formalrechtlich in den Griff zu bekommen. Die Gerichte in anderen Staaten entscheiden eben politisch, sagt Politikwissenschaftler Reinhard C. Heinisch von der Universität Salzburg.

Das US-amerikanische Höchstgericht hätte 2000 in seiner Entscheidung ermessen, was politisch mehr Schaden anrichtet – die rechtlichen Formalitäten waren weniger von Bedeutung. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat im Gegensatz dazu versucht, das Problem eben formalrechtlich zu lösen. Laut Heinisch sei es eine "Illusion der österreichischen Politik", das Problem auf diese Art lösen zu können. Jede Entscheidung habe einen politischen Effekt. Das Problem im konkreten Fall: "Die Therapie hat einen größeren Effekt als die Krankheit."

Der Verfassungsgerichtshof hätte demnach auch anders entscheiden können, sagt Heinisch. Er hätte feststellen können, dass es Nachweise auf Probleme mit den Wahlkarten gab und diese schon länger bestanden. In weiterer Folge hätte er die Empfehlung aussprechen können, diese Probleme in Zukunft in der Praxis zu beheben. Nachdem kein Hinweis auf einen tatsächlichen Betrug vorlag, hätte er die Wahl nicht aufheben müssen. Stattdessen wählte er eine enge Auslegung der Gesetzeslage mit Konsequenzen, die einen weitgrößeren politischen Effekt haben, als es ohne Aufhebung gegeben hätte.

Alles ist politisch

Die Entscheidungsträger müssten akzeptieren, dass ihr Handeln einen politischen Effekt hat und dann überlegen, wo der Effekt am geringsten ausfallen würde, ist der Politikwissenschaftler überzeugt.

Das grundlegende Problem in Österreich sei, dass man versucht, mit gesetzlichen Vorschriften alle Eventualitäten einer Wahl abzudecken. Dadurch wird es zu komplex und die Umsetzung wird schwierig, sagt Heinisch, und: "Die, die Gesetze schreiben, müssen sie nicht vollziehen."

In anderen Ländern lassen die Regelungen mehr Freiräume – eben nicht jeder mögliche Wahlvorfall wird einkalkuliert, reglementiert, berücksichtigt.

Ein Beispiel: Die Auszählung der Wahlkarten darf erst am nächsten Tag erfolgen. In der Realität wird gleich ausgezählt, auch weil die Wahlhelfer ehrenamtlich arbeiten. Ein Regelbruch?

In Österreich würde versucht, Rechtsprechung jenseits politischer Konsequenzen zu machen. Heinisch: "Aber etwas Außerpolitisches gibt es nicht." Schon allein durch die Besetzung des Verfassungsgerichtshofs durch die Politik sei dieser politisch und das sei zu akzeptieren und demokratiepolitisch auch in Ordnung, erläutert Heinisch.

Seine Schlussfolgerung: Es braucht Regelungen, die die Wahl einfacher, praktikabler machen und die bestehenden Regelungen nicht noch zusätzlich verschärfen. Aber diese Diskussion fehle.

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