Zukunft des Kanzlers überschattet Angelobung

Zukunft des Kanzlers überschattet Angelobung
Das Misstrauen zwischen Kanzler und Opposition ist größer denn je, Gibt es noch Möglichkeiten, die Vertrauenskrise zu kitten?

Sie waren noch gar nicht angelobt, da kursierte für die neuen Minister ein vergleichsweise uncharmanter Name: „Marionettenminister“, wurden die vier Neuen in den Oppositionsreihen genannt. Und das lag vor allem daran, was an diesem denkwürdigen Mittwoch in Wien alles passiert war.

Zunächst einmal wurde bekannt, dass ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger auch Vizekanzler wird; dann sickerte durch, dass die Kabinettschefs und Sprecher der vier neuen Minister durchwegs von der ÖVP gestellt werden.

„Es ist beschämend, dass Sebastian Kurz die Ersatzminister zu Marionetten degradiert. Jeder und jedem der Ersatzminister wurden türkise Aufpasser und Sachwalter aus den türkisen Kabinetten vor die Nase gesetzt“, wetterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

Die Expertenregierung? Für Drozda ist sie ein „ Täuschungsmanöver“. Und nicht nur für ihn. In der SPÖ hat sich die Lesart durchgesetzt, dass der türkise Kanzler nichts dazu beigetragen hat, Vertrauen aufzubauen.

„Er hat uns knapp mitgeteilt, was er bei der Minister-Ernennung tun wird. Ernsthafte Gespräche kann man das nicht nennen, das war eine knappe Nachricht“, zürnt ein roter Stratege.

Zwei Fragen zur Innenpolitik am Mittwoch

Wenig Optimismus

In der SPÖ setzt niemand mehr große Hoffnungen in die von Kurz bei seiner Ansprache kolportierten Gespräche mit der Opposition.

Wiens einflussreicher SPÖ-Chef Michael Ludwig mahnt „vertrauensbildende Maßnahmen“ ein. Aber er sagt auch, dass ihn Kurz’ bisheriges Agieren „nicht optimistisch“ stimme. Und selbst zurückhaltend agierende Akteure wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser wurden zunehmend ungehalten und angriffig, was das Agieren des Regierungschefs angeht.

Für Kaiser handelt Kurz wie ein „Alleinherrscher, der drauf und dran ist, alle Türen zuzuschlagen und sich ins stille Kämmerlein zurückzuziehen, von wo aus er versucht, der Republik und den anderen Parteien seinen Willen aufzuzwingen.“

Geschieht nicht noch Einschneidendes, wird die SPÖ bei der Parlamentssitzung am Montag damit wohl oder übel dem Misstrauensantrag der Liste Jetzt zustimmen – oder einen eigenen vorlegen.

Das wäre ein starkes Signal. Aber es wäre noch nicht das Ende der Kanzlerschaft des Sebastian Kurz.

Um den ÖVP-Chef zu stürzen wäre die Mehrheit der 183 Nationalratsmandatare, also zumindest 92 Abgeordnete, nötig. SPÖ und Liste Jetzt verfügen über 59, die Neos haben bereits angekündigt, allfällige Misstrauensanträge nicht mitzutragen. Damit fehlen 33 Abgeordnete.

Und die müssten wohl oder übel von den Freiheitlichen kommen, da selbst eine Stimm-Enthaltung von Neos und/oder FPÖ nichts daran ändert, dass SPÖ und Liste Jetzt keine Mehrheit für eine Abwahl des Kanzlers hätten.

Ziehen die Blauen und Roten aber an einem Strang?

Rein atmosphärisch ist die Stimmung zwischen ÖVP und Freiheitlichen in den vergangenen 24 Stunden nicht besser, sondern eher schlechter geworden.

So brachte die ÖVP-Fraktion im burgenländischen Landtag einen – erfolglosen – Misstrauensantrag gegen FPÖ-Chef Johann Tschürtz ein. Und auch Neo-FPÖ-Chef Norbert Hofer bekräftigte im KURIER-Gespräch (Seite 4), dass sich die Volkspartei jetzt „kein Vertrauen“ erwarten könne und dürfe.

Aber in den Reihen der Blauen hört man auch: Wir dürfen nicht völlig eskalieren, sonst gibt es nach der Nationalratswahl mit der ÖVP keine Gesprächsbasis.

Ob sich die Überzeugung im FPÖ-Klub durchsetzt?

Fest steht, dass das Vertrauen zwischen Regierungs-ÖVP und den Oppositionsparteien arg ramponiert ist.

Sogar die Bischöfe warnen vor dem Misstrauensantrag. Wer leichtfertig die staatlichen Institutionen schwächt, um kurzfristig politische Vorteile für sich zu erhoffen, könne dem Land schweren Schaden zufügen.

Eine verfahrene, aussichtslose Situation also?

Nicht unbedingt.

„Vielleicht sollten alle Akteure einfach einen Schritt zurücktreten und sich in dieser Situation einfach wie Vereine in der Fußball-Bundesliga verhalten“, sagt Herbert Drexler zum KURIER.

Drexler ist Physiker und Philosoph, und als Präsident des Bundesverbandes für Mediation will er mit dem Bundesliga-Vergleich eine zentrale Botschaft loswerden: „Wahlkampf und Zusammenarbeit schließen einander nicht zwingend aus. Im Fußball wollen alle Mannschaften gewinnen und Meister werden. Gleichzeitig haben sie ein gemeinsames Ziel, nämlich: Grundregeln werden eingehalten, weil sonst das Image der Liga leidet und die Menschen nicht gerne ins Stadion gehen. In der Politik sollte eigentlich dasselbe gelten.“

Klingt naiv? Drexler weiß das natürlich. Dennoch hat er zwei Ratschläge, die in der krisenhaften Polit-Situation beherzigt werden könnten.

Der eine lautet: Die drei, auch in der Politik relevanten Ebenen „Inhalt“, „Abläufe“ und „Emotionen“ müssen auseinandergehalten werden. „Es gibt keine Umsetzung von Inhalten, wenn ich nicht auch die beiden anderen Ebenen – also wie ich dorthin komme (Prozess) und wie man miteinander umgeht (Emotionen) – nicht kläre.“

Tempo raus!

Der andere Tipp: Tempo raus! „Es rast kein Komet auf die Erde zu“, sagt Drexler. „Es ist wichtig und sinnvoll, sich für große Entscheidungen die nötige Zeit zu nehmen.“

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