Freispruch für Kurz: Experte äußert Kritik an langer Prozessdauer
Zusammenfassung
- Das Oberlandesgericht Wien hob das Urteil gegen Sebastian Kurz auf, da seine Aussage im Gesamtkontext nicht als irreführend bewertet wurde.
- Robert Kert kritisierte die unverhältnismäßig lange Prozessdauer und führte dies auf die Prominenz des Angeklagten zurück.
- Das Urteil verdeutlicht die Schwierigkeiten, Falschaussagen in Untersuchungsausschüssen strafrechtlich zu fassen, und zeigt möglichen gesetzgeberischen Anpassungsbedarf auf.
Der Freispruch für Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Causa Falschaussage hat in Österreich hohe Wellen geschlagen. Im ZiB2-Studio sprach Margit Laufer mit Robert Kert, Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien, über die rechtlichen Hintergründe und die politische Dimension des Urteils.
Schon vor über einem Jahr hatte Kert das erstinstanzliche Urteil – die Verurteilung von Sebastian Kurz – als juristisch nachvollziehbar eingeschätzt. Nun hat das Oberlandesgericht (OLG) Wien dieses Urteil aufgehoben. Ein Irrtum? „Ich würde sagen, das Entscheidende ist, wie man diese Aussage im Gesamtkontext beurteilt“, so Kert. Das OLG habe sich das Video der Aussage genau angesehen und sei zur Schlussfolgerung gekommen, dass keine falsche Aussage vorlag – nicht, weil Kurz nicht involviert war, sondern weil seine Antwort („Ja“) keine weitere Nachfrage provozierte und daher nicht als irreführend zu bewerten sei.
Kert: "Unverhältnismäßig" langer Prozess
Dass das Landesgericht zu einem anderen Urteil kam, wertet Kert nicht als Fehler: „Das gehört zum Rechtsstaat. Rechtsmittel ermöglichen unterschiedliche rechtliche Bewertungen.“ Eine Kritik an der ersten Instanz sieht er darin nicht – vielmehr eine rechtliche Neubewertung innerhalb des bestehenden Systems.
Besonders auffällig sei jedoch der enorme Aufwand, mit dem das Verfahren geführt wurde: „Es geht hier letztlich um eine Kleinigkeit. Falschaussagen werden sonst oft in wenigen Stunden abgeurteilt. Vier Jahre Ermittlungs- und Prozessdauer erscheinen unverhältnismäßig“, so Kert. Der Grund dafür? „Weil der Angeklagte prominent ist.“ Der Fall Sebastian Kurz sei Teil des komplexen „Ibiza“-Gesamtkomplexes gewesen, der später abgetrennt wurde – mit dem Ergebnis eines besonders langen Verfahrens.
Keine Blamage für WKStA
Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) will Kert nicht mittragen. „Von einer Blamage würde ich nicht sprechen.“ Allerdings müsse man sich fragen, warum ein solcher Aufwand betrieben wird, wenn die Faktenlage im Endeffekt so nüchtern bewertet wird wie nun vom OLG.
Auch der Kronzeuge Thomas Schmid, dessen Glaubwürdigkeit im Prozess diskutiert wurde, stand im Fokus. Doch Kert betont: „Das OLG hat zur Glaubwürdigkeit von Schmid nichts gesagt.“ Die Frage war nicht, ob Kurz inhaltlich mehr wusste, sondern ob seine Aussage im U-Ausschuss für sich genommen falsch war. Das Urteil zeige jedoch, wie schwierig es sei, Falschaussagen im Kontext von Untersuchungsausschüssen strafrechtlich zu fassen.
Das Urteil legt nahe, dass es gesetzgeberischen Anpassungsbedarf gibt. Kert dazu: „Vielleicht braucht es eine eigene Definition von Falschaussage im Untersuchungsausschuss. Denn dieser läuft anders ab als ein Gerichtsverfahren – mit anderen Fragestilen, weniger Struktur und politischem Hintergrund.“
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