Zahlreiche Forderungen zum fehlenden Gewaltschutz in Österreich
Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November und den daran anschließenden 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen haben zahlreiche Organisationen und Parteien die Verstärkung der Maßnahmen gefordert. Bisher wurden in diesem Jahr 26 Femizide und 41 Mordversuche begangen. Die Bilanz sei "auch heuer wieder verheerend", konstatierte der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) in einer Aussendung am Freitag.
"Das bedeutet, die Maßnahmen greifen nicht! Sie schützen die Gewalttäter, nicht aber die vielen betroffenen Frauen und Kinder", hieß es. Das Gewaltschutzsystem in Österreich sei "aufgeblasen und wirkungslos", denn es könne und wolle Frauen und Kinder nicht vor Männergewalt schützen. "Die Regierung präsentiert ständig neue Maßnahmen, aber solange das Problem nicht tiefgreifend an den Wurzeln gepackt wird, werden Frauen sterben und Kinder schwer traumatisiert zurückbleiben."
Die Frauenhäuser verlangten eine Gesamtstrategie zwischen Regierung, Bund, Ländern und Gemeinden. Gefordert werden dafür mindestens 250 Millionen Euro jährlich, davon mindesten 83 Millionen für die Etablierung von "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt" und zusätzlich mehr als 3.000 Vollzeitkräfte für die Gewaltprävention.
Auch der Österreichische Frauenring forderte einen nationalen Aktionsplan und einen ständigen Krisenstab, der sich ausschließlich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt. "Um Frauen und Kinder effektiv vor Gewalt zu schützen, braucht es eine langfristig angelegte Gesamtstrategie, die alle Formen der Gewalt gegen Frauen und Kinder miteinbezieht. Die Regierung muss hier endlich tätig werden und vor allem Expertinnen aus allen Bereichen miteinbeziehen", sagte Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Die Erhöhung des Frauenbudgets sei zwar ein positiver Schritt, allerdings ist überhaupt nicht klar, wofür das Geld wie eingesetzt wird.
"Jede dritte Frau über 15 erlebt in Österreich körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Mehr als jede vierte Frau war schon von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen, mehr als jede fünfte Frau von Stalking. Und 26 Frauen wurden heuer schon ermordet, weil sie Frauen waren - das ist unfassbar", sagte auch Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter. "Und die Bundesregierung macht immer noch viel zu wenig dagegen."
Die erschreckend hohen und leider weiter steigenden Zahlen an Gewalt- und Sexualdelikten zeigen klar, wie groß der Handlungsbedarf der Politik sei, so Brandstötter. "Fallkonferenzen, Wegweisungen und Gewaltschutzzentren sind natürlich notwendig und müssen dringend ausgeweitet werden. Mehr Mittel für von Gewalt betroffene Frauen reichen aber keinesfalls aus, um das Problem an der Wurzel zu packen. Wenn Frauenministerin (Susanne, Anm.) Raab die gestiegenen Budgetmittel nicht endlich auch für mehr Prävention einsetzt, betreiben wir weiterhin nur Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung."
Die ÖVP-Frauen der Teilorganisationen zeigten sich im Schulterschluss gegen Gewalt. "Wir wollen und müssen (leider) noch immer auf das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen aufmerksam machen. Ein starkes Signal setzt auch die signifikante Erhöhung des Frauenbudgets. Insgesamt werden 33,6 Millionen Euro zur Förderung und dem Schutz von Frauen bereitgestellt und dieses Geld fließt zu großen Teilen in den Gewaltschutz", meinte ÖVP-Frauen-Chefin Juliane Bogner-Strauß in einer Aussendung.
Die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner forderte einen nationalen Aktionsplan, um Gewalttaten zu verhindern. Die SPÖ-Frauen pochten außerdem in einer Aussendung auf eine flächendeckende Umsetzung der Gewaltschutzambulanzen, um eine Dokumentation von Verletzungen zur Beweissicherung zu gewährleisten. Gewaltschutzambulanzen müssen für Frauen in ganz Österreich gut zugänglich und erreichbar sein. Die Frauen der Jungen Generation der SPÖ Wien haben unterdessen eine Awareness-Kampagne für junge Männer mit dem Slogan "Ally oder Oaschloch?" gestartet. Die Botschaft ist laut Aussendung klar: Jeder Mann sollte im Kampf gegen Gewalt an Frauen eine aktive Rolle übernehmen und als Verbündeter (Ally) für Gleichberechtigung und gegen die Sexualisierung der Frau eintreten. Ähnlich äußerte sich auch SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner. Er verlangte eine Basisfinanzierung für präventive Männerarbeit und neue Diskurse über Männlichkeiten.
Notruf-Nummern und Gewaltschutzzentren
Mit Beginn Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" startet am Samstag wieder österreichweit die Kassabon-Initiative des heimischen Handels: Bis inklusive Dezember werden der Polizeinotruf 133, die Nummer der Frauenhelpline gegen Gewalt 0800-222-555 sowie die Nummer des Gewaltschutzzentrums (0800-700-217) und der Opfer-Notruf der Österreichischen Justiz 0800-112-112 aufgedruckt, zahlreiche Handelsbetriebe sind mit dabei. Im Rahmen dieser Initiative soll potenziellen Opfern von häuslicher Gewalt auf schnelle Art und Weise eine Möglichkeit geboten werden, Hilfe rasch in Anspruch zu nehmen.
Der Städtebund forderte in einer Aussendung, dass Frauen ein angstfreies Leben führen können. Verwiesen wurde auf den Städtebund-Gleichstellungsindex (Stand 2021), der gemeinsam mit SORA erstellt wurde. Dieser besagt, dass aktuell in Österreich nur 750 Frauenhausplätze vorhanden sind. Das heißt, es fehlen 135 Plätze. In insgesamt 76 Prozent der österreichischen Bezirke ist kein Frauenhaus angesiedelt. Die Frauenhäuser liegen meist in den Landeshauptstädten. Das erschwert die Erreichbarkeit für Frauen und Mädchen im ländlichen Raum, denn Frauen und Mädchen sind stärker auf den öffentlichen Verkehr angewiesen als Männer.
Die UN-Kampagne "Orange The World" macht seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. "Man(n) kann Gewalt gegen Frauen beenden" - so lautet 2023 das Motto der Aktion der Vereinten Nationen. Weltweit erstrahlen in diesen 16 Tagen gegen Gewalt Gebäude in oranger Farbe, um ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen. Und das braucht es nach wie vor. Aktuelle Zahlen zu dem Thema zeichnen ein ernüchterndes Bild: So wurden den Vereinten Nationen zufolge etwa 250 Millionen der heute lebenden Frauen vor ihrem 15. Lebensjahr verheiratet. Mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen zählen weltweit zu den Opfern weiblicher Genitalverstümmelung. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten diese untragbaren Zustände noch weiter verschärft, warnte die Austrian Development Agency (ADA) in einer Aussendung am Freitag. Aktuell fördert die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 44 Projekte mit insgesamt 71 Millionen Euro, die zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt beitragen.
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