"Wollen schauen, ob Kern was kann"

„Warum trauen Sie sich zu, Bundeskanzler zu sein“, fragte KURIER-Herausgeber Brandstätter.
Bundeskanzler Kern diskutierte mit KURIER-Lesern über viele offene Fragen zur "Lage der Nation".

"Wir wollen schauen, ob der Kern was kann", sagte Herr Karl dem KURIER, warum er an diesem Abend im Tech Gate Vienna zu Besuch war. Auf Einladung des KURIER sprach Bundeskanzler Christian Kern mit KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter über die "Lage der Nation".

"Laut einer aktuellen Umfrage trauen sich zehn Prozent der Österreicher zu, den Job des Bundeskanzlers der Republik zu übernehmen. Warum trauen Sie sich das zu", eröffnete KURIER-Chefredakteur Brandstätter unter freundlichem Gelächter das Gespräch. "Das hat mich irgendwie ereilt", erklärte der Kanzler launig, es sei ja nicht so, dass man sich für diesen Job bewerben könne. "Es haben mich so viele Menschen gefragt, ob ich mir das zutraue. Irgendwann war es dann nicht mehr die eigene Entscheidung. Aber es ist eine unglaubliche Verantwortung, und ich lerne jeden Tag dazu."

Lohnnebenkosten

Erstes Thema war der Beschäftigungsbonus, der am Dienstag von der Bundesregierung beschlossen wurde. Betriebe, die neue Arbeitsplätze für vor allem arbeitslose Österreicher schaffen, sollen bis zu drei Jahre lang nur die Hälfte der Lohnnebenkosten zahlen. "Warum werden nicht gleich die Lohnnebenkosten gesenkt", wollte ein Zuhörer vom Kanzler wissen. "Das ist nicht so leicht", erklärte Kern, schließlich würden mit den Lohnnebenkosten die Sozialsysteme finanziert, auf die Österreich zurecht so stolz sei. Also Sozialversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pensionsversicherung. "Eine Kürzung der Lohnnebenkosten bedeutet auch eine Kürzung unsere Sozialstaates. Und dafür bin ich nicht zu haben."

"Wollen schauen, ob Kern was kann"
Christian Kern, Helmut Brandstätter, Kurier Gespräch
Viel Wert legte der Kanzler auf das Thema Bildung, von der Volksschule bis hin zum lebenslangen Lernen. Deshalb sei das verpflichtende zweite Kindergartenjahr so wichtig, erklärte Kern, die Ausbildungsgarantie bis 18 Jahren als auch die neu geschaffene Möglichkeit, dass auch Facharbeiter eine zweite Ausbildung mit 45 Jahren beginnen können. "Das ist für mich ein Schlüssel."

Deutlich blieb der SPÖ-Chef bei seiner Kritik, dass osteuropäische Staaten wie Ungarn aus den EU-Töpfen auch Steuergeld aus Österreich erhalten, damit aber nur eine massive Unternehmenssteuerreduktion finanzieren, wodurch Österreichs Wirtschaftunter Druck komme. "Die halten sich nicht an die Spielregeln. Denn damit gibt es einen Steuerwettbewerb nach unten, wo unsere Unternehmen Anreize bekommen, sich in Ungarn anzusiedeln. Da frage ich mich schon, ob das unser Europa sein soll."

Globalisierung

Auffällig war, dass das Flüchtlingsthema, anders als noch vor einem Jahr, nur wenige interessierte, und die Diskussion generell von Optimismus getragen war.

Wichtig war es Kern dabei, trotz vieler Sorgen auch die Vorteile von Globalisierung und Freihandel hervorzuheben. "Schaut man sich die globale Entwicklung an, bei der Armutsbekämpfung, Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, zeigt sich deutlich, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln." Das Dilemma sei, dass insbesondere die Mittelschicht in Europa nicht mehr am Fortschritt partizipieren könne. "Diese Entwicklungen müssen wir brechen und schauen, dass die Menschen wieder das Gefühl haben, dass sie von der Entwicklung profitieren."

Nach Ende der Diskussion fand Kern noch etwas Zeit für Lob, Kritik und das eine oder andere Selfie mit einigen KURIER-Lesern.

"Es war noch nicht viel zu sehen vom neuen Herrn Bundeskanzler. Aber Kern kann was", befand Herr Karl zufrieden.

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