"Frontalschaden": Tritt Harald Mahrer jetzt auch als WKO-Präsident zurück?
Harald Mahrer.
Es beginnt immer gleich. Und es endet immer mit einem irreversiblen Reputationsverlust und früher oder später mit Rücktritt: Erst wird intern die Vertrauensfrage gestellt, dann selbige zu 100 Prozent bejaht ehe man der Öffentlichkeit erklärt, man werde nicht zur Tagesordnung übergehen, um schließlich zur Seite oder gleich zurückzutreten.
In der ÖVP ist dieses Prozedere erprobt. Sebastian Kurz und Karl Nehammer haben als ÖVP- wie Regierungschefs gesehen, wie schnell der Rückhalt in den eigenen Reihen weg ist. In Anbetracht der Ereignisse dürfte dieses Prozedere bei Harald Mahrer spätestens am 3. November 2025 begonnen haben.
An diesem Montag veröffentlicht Die Presse, dass die österreichweit 5.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftskammer 2026 eine Gehaltserhöhung von 4,2 Prozent erhalten sollen. Das Plus ist weit über der prognostizierten Jahresinflation (3,5 Prozent) und über den aktuellen Abschlüssen der Löhne und Gehälter. Kritik wird laut und sie verstummt nicht. Auch dann nicht, als WKO-Präsident Mahrer an die Öffentlichkeit geht, ein "Machtwort" gesprochen und die Erhöhung halbiert haben will.
Im Gegenteil: Die Kritik wird lauter und die Vorwürfe mehr.
Bezüge Mahrers im Fokus
Parallel zum Gehaltsplus, das nicht reduziert, sondern nur für ein halbes Jahr ausgesetzt wird, sind die Entschädigungen für WKO-Funktionäre nach knapp drei Jahrzehnten um bis zu 60 Prozent erhöht worden. Zeitgleich zu den Entschädigungszahlungen der neun Länderpräsidenten stehen auch die Bezüge Mahrers im Fokus. Der Rechnungshof prüft die Kammern und, ob Mahrer mit seinen Bezügen als Präsident der Wirtschaftskammer, Chef des Wirtschaftsbundes und Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) von in Summe 28.500 Euro brutto monatlich (12 Mal im Jahr) gegen das Bezügebegrenzungsgesetz verstößt.
Was folgt ist eine fehlgeleitete und teils vollends aus dem Ruder laufende Kommunikation, die der WKO-Präsident spät aber doch öffentlich Ende letzter Woche eingesteht. Doch damit trägt er nicht zur Beruhigung bei. Trotz Interviews samt Fehlereingeständnissen ("Es können sich gerne alle an mir arbeiten") am Samstag, einem Ja aller neun Landeskammerpräsidenten auf die von Mahrer gestellte Vertrauensfrage am Sonntag und drei vorgestellten Reform-Punkten für die Kammer am Montag werden die Rufe nach noch mehr Reformen (Reduzierung der Kammerbeiträge) nicht nur seitens der Opposition lauter.
Neun Tage nach Bekanntwerden des 4,2 Prozent-Gehaltsplus beginnen die ÖVP-Landeshauptleute Niederösterreichs und Oberösterreichs gen Wien und Wiedner Hauptstraße (Sitz der Wirtschaftskammer Österreich) Dinge auszurichten, die eindeutig mehrdeutig sind.
Johanna Mikl-Leitner
Johanna Mikl-Leitner spricht am Mittwoch von einem "Frontalschaden", Thomas Stelzer von "erschüttertem Vertrauen". Die Wirtschaftskammer sei gefordert, die Reformen umzusetzen. Beide Länderchefs richten Mahrer aus der Ferne - inhaltlich ident nur in anderen Worten - aus, er und die WKO wüssten, was zu tun sei. Mikl-Leitner: "Das sind keine Entscheidungen, die wir in St. Pölten zu treffen habe. Ich gehe davon aus, dass in Wien die richtigen Schlüsse im Sinne der Wirtschaft gezogen werden."
Dezidiert zum Rücktritt aufgefordert wird Mahrer von der FPÖ, Wirtschaftsvertretern und Plattformen wie der "Tiroler Adlerrunde", die einen "Wendepunkt für die Glaubwürdigkeit der Interessenvertretung" gekommen sieht.
Hattmannsdorfer rückt für Mahrer aus
ÖVP Regierungsteile und ÖVP-Bundespartei nehmen erst wenige Stunden zuvor erstmals zu Mahrer und der WKO Stellung. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, der kurz WKO-Generalsekretär war, rückt für Mahrer aus. Die ÖVP lässt via dreizeiliger Aussendung wissen: "Ja, es sind Fehler passiert. Man muss aber auch Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern zugestehen, dass sie Fehler machen und diese eingestehen. Harald Mahrer hat nun Reformen in der Wirtschaftskammer angekündigt. Wir trauen ihm zu, dass er diese auch umsetzen kann." (ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti).
Doch die Zeit dafür scheint allerdings nicht mehr gegeben, denn einzelne WKO-Landespräsidenten wie Doris Hummer aus Oberösterreich und Peter Buchmüller aus Salzburg entziehen Mahrer öffentlich das Vertrauen, legen den Rücktritt nahe ("Mahrer ist selbst gescheit genug zu wissen, wann die richtige Zeit ist, um zu gehen"). Damit ist das Vertrauen nicht mehr gegeben und Mahrer noch geschwächter als am Sonntag. Sollte dem 52-Jährigen das Vertrauen auch von den übrigen Landespräsidenten entzogen werden, dann ist er als Präsident der WKO schneller Geschichte als als OeNB-Präsident.
Jederzeit kann Mahrer selbst die Reißleine ziehen. Was dann passiert? Darüber befinden derzeit die Länderkammern und die Politik laut KURIER-Informationen vor allem telefonisch.
Die kritischen Landeskammerpräsidentinnen Doris Hummer (OÖ) oder Barbara Thaler (Tirol) kämen an der Spitze der Kammer nicht infrage, heißt es gegenüber dem KURIER. Ihnen fehle unter anderem der Rückhalt anderer Länder. Ganz anders WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz, der man es zutraue. Sie habe aber abgewinkt. Und der ebenfalls infrage kommende WKO-Generalsekretär Jochen Danninger sei zwar ein Profi, aber erst zu kurz in der WKO (er wechselte erst heuer nach Wien, war zuvor im ÖVP-Klubobmann Niederösterreich).
Zugetraut wird die Position - und sei es interimistisch - Karlheinz Kopf. Der 68-jährige Vorarlberger verließ erst 2024 nach sechs Jahren als WKO-Generalsekretär Wien Richtung Vorarlberg, wo er derzeit Präsident der WKO ist. Der langjährige ÖVP-Mandatar und ehemalige zweite Nationalratspräsident kennt den politischen Apparat, die "Gepflogenheiten und Befindlichkeiten" heißt es gegenüber dem KURIER. Gegen ihn spreche, dass er nie Unternehmer war. Das wird wohl Harald Mahrer wieder werden.
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