Sie haben mehrfach gesagt, dass sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel geändert hat. Was genau?
Zunächst das Technologische. Handys, soziale Medien, künstliche Intelligenz: Als ich in der Politik begonnen habe, gab‘s all das bei weitem nicht in dem Ausmaß. Noch wichtiger aber ist: Die Gesellschaft hat sich geändert. Im Zusammenhalt und mit ihrem Blick auf die Zukunft. Die Pandemie hat manches, was vorhanden war, beschleunigt: Es gibt ein Ausdünnen der politischen Mitte, die Ränder erstarken. Leider hat sich auch der Ton geändert. In der Gesellschaft wie auch in der Politik.
Inwiefern?
Da geht vieles sehr ins Persönliche und wird aggressiver. Mir fehlen Toleranz und Respekt vor fremden Meinungen. Ich würde mir wünschen, dass man seinem Gegenüber und dem politischen Gegner öfter zubilligt, auch das Beste fürs Land zu wollen. Das heißt ja nicht, dass man derselben Meinung ist.
Sie koalieren in Salzburg mit der FPÖ, die sich im Bund einer sehr scharfen Rhetorik bedient und deren Parteichef die Festspielbesucher einmal als „Inzuchtpartie“ bezeichnet hat. Wie passt das zusammen?
Es gibt tatsächlich einen kulturellen Unterschied der FPÖ im Land und im Bund. Die Salzburger FPÖ ist sich sehr bewusst und respektiert, dass wir als ÖVP keine menschenverachtenden oder herabwürdigenden Äußerungen mittragen - entsprechend wird auch agiert.
Sie haben einmal davon gesprochen, die Stimmung sei „verpestet“…
Was ich hier ansprechen wollte, ist die hohe bis überzogene Erwartungshaltung der Gesellschaft. Viele wünschen sich einen paternalistischen Staat, der alles für sie regelt. Gleichzeitig beklagen sie überall eine Überregulierung. Diesen Widerspruch kann man nur auflösen, wenn man wieder mehr auf die persönliche Verantwortung setzt. Dazu gehört auch, dass die Jugend wieder selbstbewusst sieht, welch unglaubliche Chancen sie hat: Wer fleißig und ordentlich agiert, hat de facto eine Arbeitsplatzgarantie, es gibt unzählige Ausbildungen, ich kann ins Ausland gehen, etc. Unser Wohlstand ist groß wie nie - und dennoch gibt es eine latente Unzufriedenheit.
Vielleicht, weil wir uns unseres Wohlstandes nicht bewusst sind?
Ich glaube tatsächlich, dass die Skepsis überzogen ist und durch selbst ernannte Weltuntergangspropheten befeuert wird. Ich vermisse das natürliche Zutrauen, dass wir unsere Probleme lösen können. Ja, man muss die Ärmel aufkrempeln und wir haben in der Geschichte gesehen, dass man immer wieder die Zähne zusammenbeißen muss. Aber: Es geht voran. Das gilt auch für die Demokratie: Ich beobachte eine gewisse Müdigkeit - die gilt es zu bekämpfen: Es ist eben nicht selbstverständlich, dass wir sozial abgesichert sind, dass wir unsere Meinung öffentlich kundtun können, ohne bestraft zu werden. Das sind die Rechte in einem freien Staat, die mühsam von Generationen erkämpft worden sind. Und die müssen wir - auch in der Europäischen Union - wahrnehmen und verteidigen.
Sie übergeben Salzburg jetzt an Karoline Edtstadler. Was ist das Wichtigste, das sie zu beachten hat?
Ich geb ihr keine Ratschläge, sie ist eine erfahrene Frau, kommt aus einer kleinen Gemeinde, ist Richterin, mehrsprachig und als mehrfache Ministerin sattelfest auf dem internationalen Parkett. Karoline Edtstadler ist idealtypisch, weil sie Politik mag, positive Emotionen weckt und hart arbeitet. Politik ist - nicht zuletzt - eine Managementaufgabe, wir haben mehr als 18.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und dann muss sie auch die Salzburger Volkspartei weiterentwickeln.
Ihre bayerische Schwesterpartei CSU stand ja lange für Laptop und Lederhose. So in diese Richtung?
Meines Erachtens geht's um Änderungsbereitschaft und Zukunftsneugierde. Den Konservativen wird ja gern unterstellt, sie wollten nichts ändern. Das trifft es nicht ganz. Natürlich bleiben wir bei unseren Werten, aber: Die Gesellschaft entwickelt sich weiter. Ich spreche daher lieber von bürgerlicher Politik, die sich fragt: Wie können wir Gutes bewahren und uns gleichzeitig weiterentwickeln? Ich glaube, wenn wir Fleiß, Anständigkeit, Familie, Offenheit und Toleranz miteinander kombinieren und gut artikulieren, können wir als bürgerliche Partei in Salzburg 70 Prozent der Leute ansprechen.
Was macht Wilfried Haslauer nach dem Sommer?
Nur soviel: Ich werde weiter arbeiten. Aber mit der Politik war‘s das endgültig.
Und was werden Sie nicht vermissen?
Die 60- bis 80-Stunden-Wochen und die Fremdbestimmtheit. Ein Landeshauptmann muss sechs bis sieben Monate im Voraus Termine fixieren, da gibt's mitunter wenig Spielraum. Dass ich jetzt selbst wieder Herr meiner Zeit sein werde, darauf freue ich mich. Ich habe aber keinen Grund zu jammern. Ich habe durch diesen Job unglaublich viele spannende Menschen in allen Bereichen und Bevölkerungsschichten kennenlernen dürfen. Langweilig war es nie.
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