Krätzl, geboren am 23. Oktober 1931 in Wien, habe sein Leben „der Verkündigung der Frohen Botschaft“ gewidmet, schrieb Kardinal Christoph Schönborn in einer Abschiedsbotschaft: „Er liebte die Kirche und litt auch mit ihr.“
Stenograf beim Konzil
Sein geistliches Wirken begann Krätzl als Kaplan in Baden. Unter Kardinal Franz König kam er als dessen Zeremoniär nach Wien, musste nach einem Autounfall das Amt aber niederlegen. Er ging nach Rom und erlebte als Stenograf die ersten Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils hautnah mit. Die Eindrücke – und der Wunsch nach Öffnung der Kirche – sollten sein weiteres Leben bestimmen.
1977 wurde er von Papst Paul VI. zum Wiener Weihbischof ernannt. Als König sich zurückzog, sahen in Krätzl viele seinen logischen Nachfolger im Amt. Es kam anders: Er führte die Erzdiözese zwar interimistisch, musste dann aber für Hans Hermann Groer Platz machen. Eine klare Entscheidung gegen seinen fortschrittlichen Kurs.
Krätzl trat als Generalvikar zurück und wurde zur „mahnenden Stimme“ der Kirche in der Öffentlichkeit.
In der Bischofskonferenz wirkte er zwanzig Jahre lang als „Schulbischof“ und war für den Religionsunterricht und für die Schulpolitik der Kirche verantwortlich.
Ein besonderes Anliegen aber blieb ihm stets die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils (er war zuletzt einer der letzten Zeitzeugen) und die ökumenische Verständigung. Die evangelische Kirche würdigte Krätzl am Dienstag als „Säule der Ökumene“. Man verliere „einen profilierten und liebevollen Gesprächspartner“.
Nach Rom zitiert
Krätzl sei mit Humor und Erzähllaune gesegnet gewesen, heißt es. Mut hatte er jedenfalls – und so verfasste er nach dem Konzil sein Buch „Im Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“. Der „Sprung vorwärts“, den die Kirche beim Konzil machte, der gefiel ihm – die schleppende Umsetzung der neuen Theologie kritisierte er umso schärfer.
„In der Kirchengeschichte sind die meisten Erneuerungen von unten gekommen“, formulierte er in einem ORF-Interview. Und: „Heiße Eisen darf man nicht abkühlen lassen.“ Zu den heißen Eisen, die er ansprach, zählten die Priesterweihe für Verheiratete, die Sakramentenspendung für wieder verheiratete Geschiedene und Empfängnisverhütung. Auch Signale für die Weihe von Frauen setzte er.
Für sein Buch zum Konzil wurde Krätzl damals übrigens nach Rom zitiert. Josef Ratzinger – der spätere Papst Benedikt XVI. – empfahl ihm dort, künftig doch lieber „etwas anderes zu schreiben“.
Jahre später – im März 2008 – nahm Benedikt XVI. das altersbedingte Rücktrittsgesuch Krätzls an. Zuletzt lebte Krätzl, der insgesamt sieben Päpste erlebte, zurückgezogen in Wien.
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