Wien-Wahl: Wie SPÖ und FPÖ um Erdoğan-Anhänger buhlen

Es gehört zu den skurrileren Aspekten dieses recht unspektakulären Wien-Wahlkampfs: Ausgerechnet die FPÖ hat neuerdings ihr Herz für die türkischstämmige Wählerschaft gewonnen.
Jene FPÖ, deren heutiger Klubobmann Maximilian Krauss seinerzeit den damaligen roten Stadtchef Michael Häupl aufgrund seiner Migrationspolitik noch als „Türken-Bürgermeister“ bezeichnet hatte.
Mittlerweile hält Parteichef Dominik Nepp Interviewrunden mit türkischen Medienvertretern ab, besucht der umtriebige Funktionär Leo Lugner das Fastenbrechen des Moscheenverbands Atib. Das Potenzial an Wählerstimmen – so scheint es – wiegt schwerer als all die Vorbehalte gegenüber Migranten und dem Islam. Zumal man der konservativ geprägten türkischen Community gesellschaftspolitisch ohnehin näher steht, als es auf den ersten Blick scheint.
Kontroversen um SPÖ
Schon länger auf Stimmenfang unter Türkischstämmigen geht die Wiener SPÖ. Als wichtige Verbindungsfrau gilt die Gemeinderätin und Vertraute von Bürgermeister Michael Ludwig Aslıhan Bozatemur.
Neuerdings schwelt parteiintern allerdings die Kontroverse darüber, ob die Parteispitze dabei allzu sehr die Anhänger des autoritär regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner AKP hofiert, die in Wien zahlenmäßig stark vertreten sind. So wird Ludwig vorgeworfen, die Verhaftung von Istanbuls Bürgermeister und Erdoğan-Gegner Ekrem İmamoğlu nur sehr halbherzig verurteilt zu haben. Zuletzt weilten zudem laut Presse gleich drei AKP-Bürgermeister auf Einladung des Rathauses in Wien.
Den Vertretern der Freien Aleviten in Wien ist es nun zu viel: Viele Jahre sei man gemeinsam mit der SPÖ am 1. Mai zum Rathausplatz marschiert, heuer boykottiert die Glaubensgemeinschaft die Veranstaltung, berichtet die Kleine Zeitung. „Wir fühlen uns nicht mehr wohl, weil die SPÖ Kräfte, die in der Türkei Leute verfolgen, salonfähig gemacht haben“, sagt Aydin Sari, Chef der freien Aleviten in Wien.
Migrantenpartei
Bei all den Kontroversen gerät aus dem Blickfeld, dass mit SÖZ auch diesmal wieder eine vorwiegenden aus der türkischen Community heraus entstanden Partei bei der Wien-Wahl antritt, allerdings nicht in allen Wahlkreisen. Beim ersten Versuch 2020 reichte es für 1,2 Prozent und sieben Mandate auf Bezirksebene.
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