Wie ein treuer Beamter zum Belastungs-Zeugen wurde

Wie ein treuer Beamter zum Belastungs-Zeugen wurde
Heinrich Traumüllers Aufstieg im Finanzministerium hat vor zwölf Jahren begonnen – er war von Grasser geblendet.

Heinrich Traumüller ließ sich nichts anmerken. Als der 54-jährige Finanzbeamte vor wenigen Tagen aus dem Parlament in einen lauen Aprilabend spazierte, wirkte er gelöst, frei.

Der ehemalige Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser war erschöpft, doch das war nicht ungewöhnlich. – Immerhin hatte er gerade zwei Stunden vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt; zum zweiten Mal in drei Tagen. Zorn oder Verzweiflung? Nichts von alldem war ihm anzusehen.

Stunden später brach der als "penibel" geltende Jurist zusammen und avancierte im BUWOG-Rätsel über Nacht zur Schlüsselfigur für die Justiz.

Wer ist dieser Heinrich Traumüller? Was weiß er – und: Kann man ihm trauen?

Korrekter Beamter

Die Geschichte des 54-jährigen Zeltwegers beschreibt Aufstieg und Fall eines als "korrekt" geltenden Staatsdieners. Es ist die Geschichte eines unauffälligen Experten, der in kurzer Zeit vom Personaljuristen zum Chef der Finanzmarktaufsicht aufstieg; und der möglicherweise erst vor wenigen Tagen erkannte, dass er bei einem der größten Privatisierungsgeschäfte der Republik – dem BUWOG-Verkauf – in ein fragwürdiges Spiel verwickelt war.

Begonnen hat Traumüllers Aufstieg im Finanzministerium (BMF) vor zwölf Jahren mit der Regierungsübernahme von Schwarz-Blau. "Wie alle Ressorts war die Finanz in Schlüsselfunktionen mit schwarzen oder roten Beamten besetzt. Die FPÖ brauchte jemanden, der Grasser den Kabinettschef macht", erzählt ein hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums.

Traumüller – er war vor seiner Zeit im BMF Sachbearbeiter im Verfassungsgerichtshof – sei kein Freiheitlicher gewesen, im Gegenteil: Er galt als bürgerlich. Gleichwohl fand der neue Kabinettschef schnell Gefallen am jungen Ressortchef. "Wie vielen anderen hat ihm Grasser imponiert, er glaubte: Der will wirklich etwas bewegen", sagt ein Weggefährte.

Diese Achtung spürte man bis zuletzt, bis zum Tag seiner zweiten Einvernahme im Korruptions-U-Ausschuss. Wie bei den U-Ausschüssen zuvor bemühte der Familienvater gern Superlative und wolkige Vergleiche: Das BUWOG-Projekt sei aufregend gewesen. Das "kleine Österreich" habe plötzlich in der großen Finanz-Liga gespielt. "Das war symptomatisch. Er hat mir schon 2004 vorgeschwärmt wie professionell die Amis (Lehman Brothers, Anm.) agieren. In der heiklen Phase haben sie abhörsichere Mobiltelefone ausgeteilt, um den Verkaufsprozess nicht zu gefährden. Den Heinrich hat das ungemein beeindruckt", erzählt ein Beamter.

Traumüller, so viel lässt sich bei aller Vorsicht sagen, war geblendet: Vom Brimborium, das Lehman um den Milliarden-Deal machte; und von Grasser, der ihn nach dem BUWOG-Deal zum Chef der Finanzmarktaufsicht machte.

Der Zeitpunkt, wann Traumüller klar wurde, dass beim ­ BUWOG-Verkauf nicht alles so abgelaufen ist, wie er glaubte, lässt sich gut eingrenzen: Es ist Donnerstag, der 26. April 2012, kurz nach 17 Uhr. Traumüller hat zuvor eine Stunde im U-Ausschuss ausgesagt, um "präzise Fragen" gebeten und den Minister verteidigt.

Auffällige Pause

Die Befragung kippt, als Abgeordnete mit ihm private Notizen durchgehen, die bei einer Hausdurchsuchung bei ihm gefunden wurden.

Die Parlamentarier vergleichen Traumüllers Einträge mit anderen Aussagen; sie zeigen dem Beamten, dass manche Einträge für sich stimmig sind, aber logisch nicht zu dem passen, was andere Zeugen sagen. Kurzum: Sie deuten an, er, das "Sprachrohr" des Ministers, wurde bisweilen benutzt. Um 17.16 Uhr bittet Traumüller um eine Pause, er trinkt ein Cola – und ist wie ausgewechselt.

Plötzlich erzählt er, wie er Grasser in Sitzungen der Vergabe-Kommission holte, obwohl dieser nicht hätte teilnehmen sollen; er erklärt, die BUWOG-Entscheidung sei am Tag der EU-Wahl gefallen, um wenig Aufmerksamkeit zu erregen; und er bejaht, dass es wohl Grasser selbst war, der Walter Meischberger die Information gab, wie viel man für die BUWOG bieten muss.

Kurz nach sechs ist alles vorbei, Traumüller marschiert aus dem Ausschuss. "Ich bin froh, dass alles klar ist", sagt er. Auf manche wirkt er verwirrt. Doch er war vor allem eines: enttäuscht.

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