Die kleine Marktgemeinde Lichtenwörth nahe Wiener Neustadt wird ab dem 1. Juni die größte Energiegemeinschaft Österreichs sein.
Wer den Begriff noch nicht kennt – schließlich gibt es Energiegemeinschaften erst seit 2022: Haushalte, Gemeinden oder Unternehmen, die ihren eigenen Strom produzieren, können Energiegemeinschaften gründen und so ihre überschüssige Energie (billiger) an ihre Mitglieder verkaufen.
Damit macht man sich zwar nicht von seinem Stromversorger unabhängig, Ziel aber ist, einen möglichst großen Teil des Strombedarfs mit der eigenen Produktion zu decken. Und da Energiegemeinschaften das Stromnetz entlasten, zahlen die Mitglieder einerseits weniger Netzgebühren, andererseits auch weniger für die lokal produzierte Kilowattstunde.
Bürgermeister Manuel Zusag erklärt: „Unsere Energiegemeinschaft ist ein funktionierendes Anti-Teuerungsmodell und ein wesentlicher Beitrag zur CO2-Einsparung. Lokal erzeugter, grüner Strom wird auch lokal verbraucht, das bringt Entlastung der Stromnetze und mehr Unabhängigkeit vom Energiemarkt. So wird effizienter Klimaschutz von Bürgern mitgetragen und gelebt.“
Erstes Viertel ist dabei
Der ÖVP-Bürgermeister verweist mit verständlichem Stolz, dass bereits jetzt ein Viertel aller Lichtenwörther Haushalte registrierte Mitglieder sind, Tendenz steigend – wenn erst einmal die Eckpunkte bekannt sind: Lichtenwörth produziert mit seiner Biogasanlage rund 4,2 Millionen Kilowattstunden Strom, mit einer Großflächen-Photovoltaikanlage rund 2,4 Millionen Kilowattstunden und mit den kleinen Dach-PV-Anlagen seiner Mitglieder noch einmal 0,25 Millionen Kilowattstunden dazu.
Besonders die Biogasanlage war die perfekte Grundlage für das Unterfangen. Denn was einst ein Ärgernis für die Lichtenwörther war – die Geruchsbelästigung durch mehrere Schweinemastbetriebe, ist heute ein Glücksfall. Denn die Gülle wird gesammelt, zur Biokompostanlage gebracht, wo sie vergärt wird – und mit dem Gas wird viel Strom erzeugt. Dass eine Energiegemeinschaft Sinn macht, war spätestens klar, als Szene-Wirt und Bauer Friedl Pauer-Rüel auf seinem Acker eine Großflächen-PV installieren ließ.
Der Clou: Während der lokale Versorger derzeit günstigenfalls rund 38 Eurocent pro Kilowattstunde verrechnet, beziehen die Mitglieder der Energiegemeinschaft die Kilowattstunde um nur 26,4 Eurocent. Unterm Strich rechnet Bürgermeister Zusag vor, heißt das: Samt reduziertem Netzentgelt zahlt der findige Lichtenwörther 28,9 Eurocent pro KWh gegen bestenfalls 45,3 Eurocent beim Stromanbieter. Bei einem Durchschnittsverbrauch von etwa 2.900 Kilowattstunden eines Haushalts können umgerechnet 2.300 Haushalte versorgt werden – „Dabei haben wir nur 1.300 Haushalte“, schmunzelt der 31-jährige Politiker Zusag. Die Lichtenwörther Energiegemeinschaft wird also Überschussstrom haben, weshalb sich ein neues, gewichtiges Mitglied bereits angeschlossen hat: Wiener Neustadt.
Strom war bisher eine sehr abstrakte Ware. Er wurde in großen Kraftwerken produziert und dann über lange Leitungen bis zur Steckdose geschickt.
Wo genau er herkommt, wer weiß das schon so genau? Nur wer eine eigene Solaranlage am Dach hat, weiß es besser. Nun ist es dank eines Gesetzes von 2022 möglich, Strom auch direkt von der Solaranlage der Nachbarn zu beziehen und die Konditionen für diesen nachhaltig produzierten Strom selbst zu bestimmen. Die Bürger werden also vom Käufer zum Händler.
Österreichweit wurden inzwischen mehr als 400 solcher Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) gegründet, die gemeinsam Strom produzieren und sich diesen gegenseitig verkaufen – natürlich zu günstigeren Konditionen als am gewöhnlichen Strommarkt. Für innerhalb einer EEG gehandelten Strom entfällt der Ökostromförderbeitrag, die Elektrizitätsabgabe und die Netzgebühren sind reduziert.
Konkret sollen das Wasserwerk Süd, die Erdgastankstelle und die Zentralgarage der Verkehrsbetriebe WNSKS jährlich bis zu einer Gigawattstunde Strom aus Lichtenwörth beziehen und bezahlen. Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger ist freilich voll des Lobes: „Das Projekt ist beispielgebend für eine interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der Erneuerbaren Energie. ,Stadt und Land mitanand’ bekommt damit auch eine energie- und klimapolitische Dimension. Danke an die Marktgemeinde.“
Start für die Lichtenwörther Energierevolution ist der 1. Juni.
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