Wie Atib doch noch aufgelöst werden könnte
Das Ultimatum dauerte bis Freitag, Schlag Mitternacht. Bis dahin hatte der türkische Moscheen-Dachverband Atib Zeit, dem Kanzleramt alle Fragen zu dem irritierenden Schauspiel zu beantworten, das seit rund zwei Wochen die heimische Innenpolitik beschäftigt.
Wie berichtet spielten Kinder auf Anweisung von Erwachsenen in einer von Atib betriebenen Moschee in Wien Kriegsszenen nach (siehe Seiten 4,5) – in Uniform, mit türkischen Fahnen als Leichentücher und dergleichen.
Obwohl Atib gegenüber dem Kanzleramt und der Stadt Wien erklärt hat, es handle sich um einen dezidierten Einzelfall, steht nun eine Auflösung des Vereins im Raum.
Rechtlich ist diese aber so einfach nicht: Experten geben einer Auflösung nur dann Chancen, wenn Atib oder führende Funktionäre rechtskräftig verurteilt werden.
Die Kriegsspiele in der Moschee Dammstraße können dafür wohl kaum der Anlass sein. Zudem legte die Islamische Glaubensgemeinschaft ( IGGiÖ) dem Kanzleramt zeitgerecht vor Ablauf des Ultimatums eine Erklärung der Vorfälle vor – bis Ende der Woche will Kultusminister Gernot Blümel (ÖVP) die Lage bewerten.
Schon eher taugte ein Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft Wien gegen Atib führt, zur Auflösung. Wie dem
KURIER von der Staatsanwaltschaft bestätigt wurde, ermittelt die Justiz gegen Atib wegen § 256 im Strafgesetzbuch: Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs.
Darin geht es im Wesentlichen um den Vorwurf, dass niemand zum Nachteil Österreichs einen Nachrichtendienst einrichten, betreiben oder unterstützen darf – doch genau diese Vermutung steht im Raum. Denn Atib bzw. Atib nahestehende Personen haben vor Monaten intern dazu aufgerufen, Erdoğan-kritische Türken oder türkisch-stämmige Österreicher zu melden.
Wurden diese Listen oder Daten tatsächlich an Ankara weitergegeben, so besteht zumindest der begründete Verdacht, dass Atib wie ein Nachrichtendienst agierte.
Ex-Parlamentarier Peter Pilz war unter den Personen, die Atib damals angezeigt haben. Am Freitag reichte der Gründer der Liste Pilz eine „Ergänzende Sachverhaltsdarstellung“ an die Landespolizeidirektion Wien nach, in der er – neben dem § 256 – unter anderem auch die „glorifizierende Kriegsspiele“ als dringenden Auflösungsgrund anführt.
Pilz’ Vorhalt zielt auf Innenminister Herbert Kickl ab: Dieser wolle sich nicht mit Erdoğan anlegen. „Und deshalb schiebt er die Falschen ab. Anstatt Erdoğans Provokateure auszuweisen, schickt er vom Tod bedrohte Afghanen zurück. Aber mit denen kann er es machen, für die setzten sich ,nur’ Amnesty, NGOs und Menschen wie ich ein – und nicht Erdoğan.“
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