Worum geht es? Laut einer seit 2021 überfälligen EU-Richtlinie müssen EU-Mitgliedsländer Whistleblower schützen. Das ist nicht nur im Interesse der Öffentlichkeit, also beispielsweise dann, wenn Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen tricksen und die Steuerzahler um Geld prellen, nein: Es ist auch im Sinne der Unternehmen.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter, der in einer Bank für die Vergabe von Krediten zuständig ist, hat bei einem nahen Verwandten die Kreditvergaberichtlinien nicht eingehalten. Ein Kollege bemerkt und meldet das.
„Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich noch um kein strafrechtliches Verhalten“, sagt Korruptionsexpertin und Wirtschaftsanwältin Katharina Kitzberger.
Die Bank könnte den Fehler also rasch beheben, sie hätte weder die Justiz noch Aufsichtsbehörden am Hals. Würde der Kredit später zum Beispiel bei einem Ausfall des Kredits oder einer Kontrolle der Finanzmarktaufsicht beanstandet, drohen dem Unternehmen weit größeres Ungemach – und möglicherweise empfindliche Geldstrafen.
Mit dem beschlossenen Gesetz scheint Whistleblowing laut Meinung der einschlägigen Fachleute trotzdem nur bedingt möglich.
Was sind die konkreten Kritikpunkte?
- Problem: Meldestelle: Eine entsprechende Meldestelle (ein interner „Briefkasten“ bzw. ein Mitarbeiter, an den man sich als Tipp-Geber vertraulich wenden kann) müssen nur Unternehmen ab 50 Mitarbeitern einrichten. Und selbst in diesen Fällen sieht das Gesetz keine Strafen vor, wenn man einfach darauf verzichtet.
- Falsche Sanktionen: Die möglichen Sanktionen treffen Einzelpersonen gleich hart wie große Konzerne. Das bedeutet zum Beispiel: Querulanten die vorsätzlich falsche Missstände melden, können mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro bestraft werden. Derselbe Strafrahmen gilt aber für Personen bzw. Unternehmensangehörige, die Whistleblower einschüchtern oder wegen der Meldung Druck auf sie ausüben.
- Unklare Zuständigkeiten: Für Whistleblower ist entscheidend, dass sie vor der Meldung wissen, ob sie danach vor Repressionen geschützt sind. Das gegenwärtige Gesetz schafft das nicht, sagen Experten, weil vor allem klassische Korruptionsdelikte explizit umfasst sind. Cybercrime, sexuelle Belästigung, Mobbing, Untreue, Betrug oder Diebstahl sind es nicht – die Wahrscheinlichkeit, dass Whistleblower diese melden, ist daher gering.
Agnes Prammer, Justizsprecherin der Grünen, lässt die Kritik nur bedingt gelten. Tatsächlich gebe es Bereiche, die das Gesetz nicht umfasse. Allerdings sei offen, wie die Wirtschaft das Gesetz handhabe. „Wir haben eine Evaluierungsfrist von drei Jahren vorgesehen.“ Ziel sei ein bestmöglicher Schutz durch Einarbeitung der Erfahrungen aus der Praxis. „Nach der Evaluierung wird es möglicherweise Adaptierungen geben.“
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