Wettrüsten für den "Psychokrieg"

Puder in der richtigen Dosis: Ehe Spitzenpolitiker wie Spindelegger, Strache oder Faymann im Studio zu reden beginnen, überprüfen ihre Coaches jedes Detail: Kleidung, Make-up und sogar die Höhe des Sessels
So bereiten sich Politiker mit Coaches und Sparring auf ihre Fernseh-Fights vor.

Irgendjemand musste Frank Stronach ins Gewissen geredet haben, denn der bis dahin polternde Parteigründer gab urplötzlich den gemütlichen Fernseh-Opa.

Es geschah bei der TV-Debatte mit Heinz-Christian Strache: Das Duell mit dem FPÖ-Chef war in dieser Woche jenes, das mit der meisten Spannung erwartet wurde. Stronach und Strache kämpfen um Protestwähler, sie fischen im selben Teich, sind also direkte Konkurrenten.

Wettrüsten für den "Psychokrieg"
APA14316874-2 - 26082013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Vizekanzler AM Michael Spindelegger (ÖVP) am Montag, 26. August 2013, vor Beginn einer Puls4-TV-Konfrontation zur NR-Wahl 2013 in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Doch wider Erwarten blieb der Austro-Kanadier handzahm, und den Stil-Wechsel hatte der 81-Jährige mit Michael Spindelegger gemein. Auch der ÖVP-Chef vollzog zuletzt einen auffälligen Rollenwechsel: Aus dem bemüht-offensiven Vizekanzler wurde der zurückgenommen-sachliche Außenminister.

Alles Zufall? Mitnichten. Wann immer sich Tonlage und Gestik derart massiv ändern, haben Berater ihre Finger im Spiel. Und was diese „Coaches“ vor den Auseinandersetzungen so alles anstellen, ist mindestens so spannend wie das Duell selbst.

Die eigentliche Arbeit beginnt Wochen vor dem Auftritt und zwar für drei, vier Personen, den kleinen Beraterstab. „Du sammelst Zahlen, Fakten, Argumente zu relevanten Themen und dem Gegenüber“, sagt Daniel Kapp, früherer Sprecher und Coach von Ex-Vizekanzler Josef Pröll zum KURIER.

Welche Themen? „Alle“, antwortet Kapp. „Letztlich ist ein TV-Duell ein Psychokrieg, in dem man nicht weiß, was passiert. Was kommt vom Gegenüber, was könnte der Diskussionsleiter fragen – und vor allem: Welche Geschichte will man selbst erzählen? All diese Fragen müssen vorab beantwortet sein.“

Dauer-Fernsehen Dabei bleibt es freilich nicht, die Stäbe sammeln nicht nur Papier, sie schauen vorab vor allem fern. Allein für das TV-Duell mit Strache ließ Kapp acht Stunden Interviews mit dem FPÖ-Chef analysieren.

Wettrüsten für den "Psychokrieg"
APA14605766 - 12092013 - WIEN - ÖSTERREICH: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Donnerstag, 12. September 2013, vor Beginn einer ORF-TV-Konfrontation zur NR-Wahl 2013 in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Der Coach einer anderen Partei, der nicht genannt werden will, ließ Strache-Auftritte von einem Psychoanalytiker bewerten, um Schwächen auszuloten. „Wir wollten die fehlende Vaterfigur thematisieren und ihn so – unbewusst – irritieren. Etwa, indem man Wortmeldungen mit dem Satz beginnt ,Mein Vater hat immer gesagt‘.“ Letztlich habe man aber davon abgelassen. „Es war zu untergriffig, zu riskant.“

Womit wir beim Herzstück der Vorbereitung wären, dem simulierten Duell, dem „Sparring“.

Denn glaubt man Polit-Profis wie Josef Kalina, dann genügt es nicht, sich vorzustellen, welche Angriffe in einem TV-Duell passieren: „Du musst das vorher einfach erlebt haben. Alles andere ist unprofessionell.“

Kalina war als Coach bzw. Sprecher mehrerer SPÖ-Kanzler fast immer dabei, wenn im Renner-Institut (SP-Parteiakademie, Anm.) die Sparrings passierten.

Das „Setting“ ist immer dasselbe und möglichst identisch mit dem TV-Studio: Es werden Kameras, Scheinwerfer und Mikros aufgebaut; die Rolle von Moderator und Gegner übernehmen echte Menschen, alles wird gefilmt.

Kalina selbst schlüpfte zu Übungszwecken mehrfach in die Rolle von ORF-Journalisten und Jörg Haider.

Das Ziel: den Kanzler-Kandidaten auf dem falschen Fuß erwischen. „Man darf und muss persönlich und untergriffig werden – nur dann kann man diese Situationen trainieren“, sagt der Coach einer anderen Partei.

Kanzlerkleidung

Sparrings geben zudem die Möglichkeit, Accessoires und Kleidung zu prüfen. „Verglichen mit einem Fußballmatch ist eine TV-Debatte statisch. Daher ist alles, was man abseits des Sprechens tut, wichtig, weil es die Aufmerksamkeit der Kameras auf sich zieht“, sagt Kalina.

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"Wahl 13", "Konfrontation Bucher - Stronach." Was sie trennt, was sie verbindet. Live aus dem Großen Publikumsstudio des ORF, mit Ingrid Thurnher.Im Bild: Josef Bucher (BZÖ), Ingrid Thurnher, Frank Stronach (Team Stronach). SENDUNG: ORF2 - DO - 29.08.2013 - 21:05 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Milenko Badzic. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606
Deshalb machen „Taferln“, die man zeigt, Sinn; deshalb muss man sich überlegen, wann und wie man zum Stift oder zur Mappe greift, in der das Gegenüber eine böse Überraschung vermutet.

Unspektakulär – weil Allgemeinwissen – ist die Frage des Outfits. „Jeder gute Coach weiß: Die Haare beim TV-Duell müssen frisch geschnitten sein, und ein möglicher Kanzler trägt im Fernsehen ausschließlich weiße Hemden“, sagt Heidi Glück.

Glück war Sprecherin und Coach von Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel, und sie ist bis heute für ihre Detail-Verliebtheit bekannt.

So überprüfte sie, wie Kleidungsstücke im Licht der Studio-Scheinwerfer wirken („Ich hatte mitunter zwei, drei verschiedene Krawatten mit“); sie achtete darauf, dass das Make-up in den richtigen Dosen eingesetzt wird; ja sie kontrollierte vorab sogar, auf welchem Sessel der Kanzler Platz nimmt („Wer zu hoch oder zu tief sitzt, vermittelt auch optisch einen unbequemen Eindruck“).

Und die weißen Hemden, Frau Glück? „ Kariert, gestreift, all das kommt im Fernsehen nicht infrage, es flimmert auf dem Schirm.“

Keine Sparrings

Schüssel verzichtete in seiner Hoch-Phase auf Sparrings. Und das hat er mit den aktuellen Spitzenkandidaten gemein, offiziell zumindest. Man kann den Parteichefs durchaus glauben, dass sie jetzt ohne Sparring auskommen – denn zumindest haben Faymann, Spindelegger & Co jahrelang Kamera-Erfahrung.

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APA14605306 - 12092013 - WIEN - ÖSTERREICH: Team Stronach Spitzenkandidat Frank Stronach (L) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Donnerstag, 12. September 2013, vor Beginn einer ORF-TV-Konfrontation zur NR-Wahl 2013 in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Hinzu kommt aber etwas anderes: Nicht jedem liegt das Trockentraining fürs TV. Alexander Van der Bellen war so einer. „Unbedingt die drei Kern-Botschaften deponieren, nicht zu lange auf die Fragen eingehen – all diese klassischen Coaching-Tipps waren ,Sascha‘ meist zuwider“, erzählt Van der Bellens früherer Coach und Sprecher Lothar Lockl. Und dann gab es noch ein anderes Problem: „Sascha hasste es, sich selbst im Fernsehen anzuschauen, er hat sich in seiner Karriere geschätzte drei Mal selbst gesehen“, sagt Lockl. „Da erübrigt sich die Frage nach den großen Video-Analysen.“

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