Werner Kogler: "Die Putin-Brüder der FPÖ sind der AfD ähnlich"
Werner Kogler, Spitzenkandidat der Grünen, über den Wahlsieg der rechtsextremen AfD, die Abgrenzung gegenüber der FPÖ und den Konflikt um Leonore Gewessler.
06.09.24, 18:00
Werner Kogler will seine Grünen nach der Wahl wieder in eine Bundesregierung führen. KURIER-Chefredakteur Martin Gebhart bat zum Interview.
KURIER: Als Sie vergangenen Sonntag erstmals die Ergebnisse der deutschen Bundesländer Thüringen und Sachsen gehört haben, wo die rechtsextreme AfD stark zugelegt hat, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Werner Kogler: Die Krisen-Phänomene und die Kriegszeiten, die wir in Europa haben, verunsichern viele Menschen. Im ehemaligen Ostdeutschland ist das nicht anders. Die Regierungsbildung wird da sehr schwer. Übersetzt auf Österreich heißt das: Es gibt hier bei uns die Putin-Brüder der FPÖ, die der AfD ja sehr ähnlich sind.
Rechtsextrem wie die AfD?
Ja sicher. Und wir haben ähnliche Fragestellungen wie in Deutschland. Im Unterschied zu Österreich gibt es in der Bundesrepublik eine hygienische, demokratische Brandmauer gegenüber der AfD. Das gibt es bei uns gegenüber den blauen Brüdern – ich sage auch immer Putin-Brüder zu ihnen, weil es so schön passt – nicht. Bei uns waren sie schon in Regierungen, und jedes Mal sind sie krachend gescheitert. Wir sind die Einzigen, die sich hier klar positionieren.
Aber es gibt doch im Vorfeld Absagen in Richtung einer Koalition mit Herbert Kickl?
Dem Karl Nehammer kann man das eine oder andere durchaus glauben. Die Frage ist, wer setzt sich in der ÖVP durch. Wir sehen ja in Niederösterreich, in Oberösterreich und auch in Salzburg, dass ÖVP und FPÖ gemeinsam regieren. In Salzburg hatte ich vor der Wahl Landeshauptmann Haslauer auch geglaubt, als er diese Koalition noch ausgeschlossen hat. Auch bei der SPÖ können wir nicht sicher sein, ob sie nicht doch die Blauen in eine Regierung holen. Nicht zufällig hat die SPÖ im Burgenland konkrete Erfahrungen mit einer rot-blauen Koalition.
Geht man nach den Umfragen, dann ist es aber kaum zu verhindern, dass Herbert Kickl mit der FPÖ am 29. September als erster die Ziellinie überquert.
Aber ist es ja kein Pferderennen. In einer entwickelten parlamentarischen Demokratie, in einer Republik mit unserer Verfassung, geht es doch am Ende darum, welche Mehrheiten es im Parlament für eine längerfristig tragfähige Regierung gibt. Nach der Wahl ist einmal der Bundespräsident ganz wichtig, aber am Schluss wird es darauf ankommen, welche Mehrheiten sich finden.
bei Gebhart: Zum ausführlichen Gespräch mit Werner Kogler
Die Rolle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird ja bereits heftig diskutiert. Vor allem die Frage, ob er der Usance entsprechend nach der Nationalratswahl der stärksten Partei den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt …
Wenn Herbert Kickl im Wahlkampf aus Gebeten zitiert, dann ist es ihm auch zumutbar, die Verfassung zu lesen. Als Realitätsverdreher geht er jetzt her und meint, dass es Verfassungsbruch wäre, wenn der Bundespräsident nicht dieser Usance folgt. Wenn er endlich einmal die Verfassung lesen würde, könnte er draufkommen, dass es dort in diese Richtung überhaupt keine Vorgaben gibt. Es wird auf das Geschick des Bundespräsidenten ankommen, wie er die Regierungsbildung moderiert und begleitet, damit Mehrheiten zustande kommen.
Wir sagen nur so viel: Es ist viel, viel, viel besser für die Zukunft, für die Bevölkerung, erst recht für die Kinder und Kindeskinder, wenn die Blauen in einer neuen Regierung nicht dabei sind, sondern eine andere Konstellation kommt. Am besten natürlich mit den Grünen, weil wir die Einzigen sind, die auf den Klimaschutz schauen.
Wenn es darum geht, wer mit wem nach der Wahl koalieren wird, gibt es noch die Aussage von Kanzler Karl Nehammer, dass er Leonore Gewessler nicht mehr in einer Regierung haben will, weil diese gegen seinen Willen für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt hat. Wie gehen Sie damit um?
Der Kanzler redet immer von irgendwelchen Rechts- und Verfassungsfragen. Da sollte sich die ÖVP besser informieren. Wir haben das Abstimmungsverhalten mit vier Gutachten abgesichert, da lassen wir uns nicht spalten. Und wir treten als Team an. Die Frage wird sich dann nicht mehr stellen.
Man erinnere sich an die dramatischen Stunden, als alle ÖVP-Regierungsmitglieder unterschrieben haben, dass sie nur mit Sebastian Kurz an der Spitze weitermachen werden. Sebastian Kurz ist gegangen, und die Regierung hat weiterhin gut zusammengearbeitet. Und das ist gut so, weil wir haben viel weitergebracht.
Wenn es um Unterschriften geht, dann sollten wir über den berühmten Sideletter über Personalbestellungen in der Zeit der türkis-grünen Regierung reden. Da haben sich die Grünen zuletzt auch nicht mehr daran gebunden gesehen. Werden Sie in Zukunft noch einmal einen Sideletter unterzeichnen?
Ich glaube, alle Parteien werden den Weg einschlagen, dass das in Zukunft transparenter gemacht wird. Es geht dort aber um etwas anderes als das, was viele vermuten. Es sind sehr viele Personalentscheidungen in der Regierung verankert, vom Verfassungsgerichtshof bis zur Bundeswettbewerbsbehörde. Das muss künftig klarer geregelt sein, was direkt in den Ministerien entschieden wird und was einen einstimmigen Regierungsbeschluss benötigt. Das ist natürlich immer ein Ringen. Insgesamt haben wir Besetzungen vorgenommen, die top sind. Ich wüsste auch nicht, wer da ein grünes Parteibuch hätte.
Zum Thema Klimaschutz: Bereitet es Ihnen nicht große Sorge, dass der Kampf gegen den Klimawandel bei den Anliegen der Österreicher nicht mehr ganz oben steht?
Es gibt dazu mehrere Umfragen und Studien. Ich glaube, dass Klimaschutz, Umweltschutz und vor allem Naturschutz immer noch unter den Top Vier der Themen sind. Dass das angesichts der Sorgen um die Wirtschaft und die Sicherheit nicht ganz oben ist, das ist auch klar. Aber man muss nur in die Menschen hineinhören, um zu erkennen, dass ihnen fruchtbare Äcker, blühende Wiesen und vor allem klares Wasser ganz wichtig sind. Das sind für uns wichtige Themen in dieser Wahlauseinandersetzung.
Wenn über Koalitionen diskutiert wird, dann wird als Alternative zu Blau-Schwarz oder Schwarz-Blau immer wieder die Ampel Schwarz-Rot-Pink genannt. Selten tauchen die Grünen als Teil einer Variante auf. Stört Sie das?
Es hat vor fünf Jahren auch niemand die Variante Türkis, wie sie damals noch geheißen haben, mit Grün im Blickfeld gehabt. Wir werden sehen, wie das wird. Ich wünsche der SPÖ viel Vergnügen in so einer Konstellation mit Schwarz und Pink. Da bleibt von ihren sozialen Überlegungen, die sie zutreffenderweise haben, nichts übrig. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass es eine Stärkung des Klimaschutzes und des Naturschutzes nur mit Grün gibt.
Die bisherigen Interviews mit den Spitzenkandidaten der Parteien finden Sie auf KURIER.at.
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