Wenig Geld, keine Partei: Das Phänomen Griss

Griss mit Unterstützern- (v.l.) Piech, Busek, Strolz u. Adamovich-Wagner.
Die Ex-Höchstrichterin hat halb so viel Budget wie ihre Kontrahenten und in Umfragen einen Stockerlplatz. Prominente Bürgerliche sprechen sich für die unabhängige Kandidatin aus. Warum?

Sie hat das geringste Budget, die wenigsten Plakate und keinen Parteiapparat hinter sich. Sie ist die einzige Frau, keine Politikerin und mischt ganz vorne mit: Irmgard Griss. Laut KURIER-OGM-Umfrage gehört die einstige Höchstrichterin dem Favoriten-Trio für die Hofburg-Wahl am Sonntag an. 22 Prozent der Befragten würden sie wählen. Damit rangiert Griss auf Platz 3 hinter dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer (24 Prozent) und Ex-Grünenchef Alexander Van der Bellen, der mit 25 Prozent auf Platz 1 liegt. Nicht nur für Politik- wie Medienbeobachter ist dieses Umfrageergebnis bemerkenswert.

Bemerkenswert schon deshalb, weil der auf seine Unabhängigkeit pochende Van der Bellen über 2,2 Millionen Euro an Wahlkampf-Budget verfügt, Hofer über knapp zwei Millionen Euro und Griss lediglich rund 840.000 Euro.

Wenig Geld, keine Partei: Das Phänomen Griss

Überschätzte Plakate?

Wie hat es Irmgard Griss mit rund der Hälfte an Spenden von Khol beziehungsweise Hundstorfer (siehe Grafik) geschafft, beide in Umfragen zu überholen? "Plakate und Werbeausgaben sind nicht so wahlentscheidend wie viele glauben", sagt Stefan Sengl von der PR-Agentur The Skills Group voraus. Sengl, der 2010 die Kampagne für Heinz Fischers Wiederwahl geleitet hat, verweist auf die "vielen Alleinstellungsmerkmale" von Griss: "Sie wird von keiner Partei unterstützt, ist keine Politikerin und eine Frau. Sie unterscheidet sich in so vielen Punkten von ihren Mitbewerbern, dass sie automatisch weniger Aufwand betreiben muss, diese zu vermitteln." Für OGM-Meinungsforscherin Karin Cvrtila ist Griss’ größter Vorteil "ihre Unabhängigkeit. Zudem profitiert sie von der Politik- wie Politikerverdrossenheit der Wähler. Das hat sie mit Van der Bellen und Hofer gemein." Dass Griss ohne Parteiapparat hinter sich – sei es wie bei Hundstorfer die Gewerkschaft oder bei Khol die ÖVP-Bünde – zu mobilisieren versteht, könnte auch einem anderen Umstand geschuldet sein – dem taktischen Wahlverhalten.

"Viele potenzielle ÖVP-Wähler schätzen, dass Andreas Khol nicht in die Stichwahl kommt, wollen nicht Hofer oder Van der Bellen wählen und geben deshalb womöglich Griss ihre Stimme", sagt Sengl zum KURIER. Verstärkt werde der "Fallbeil-Effekt" durch Griss’ Unterstützer aus dem bürgerlichen Lager.

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Interview mit Ex-OEVP-Landesrat Herbert Paierl am 03.08.2015 in Wien.

Ex-ÖVP-Obmann Erhard Busek etwa, der Khol attestierte "zu alt für das Gschäft" zu sein. Je näher der Wahltag rückt desto lauter werden diese Stimmen. Herbert Paierl, Ex-ÖVP-Wirtschaftslandesrat aus der Steiermark, begründet auf KURIER-Nachfrage sein Engagement: "Leider ist mir Erwin Pröll als Kandidat abhandengekommen. Griss ist die einzige bürgerliche Kraft, die die Chance hat, in die Stichwahl zu kommen. Sie ist entspannt, locker, aber präzise in der Analyse."

Für Elisabeth Zanon, einst erste ÖVP-Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol, zeigen die mehr als 800.000 Euro an Spenden, "wie groß der Wunsch der Bevölkerung ist, dass eine parteiunabhängige Kandidatin in die Hofburg einzieht".

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Aus für Regierung?

Einen anderen Wunsch hegt PR-Expertin Gabi Spiegelfeld: "Ich hoffe, dass es durch diese Wahl zu einer Sprengung der rot-schwarzen Koalition kommt. Mein Animo, mich für Griss zu engagieren war, dass die ÖVP den Wirtschaftsstandort Österreich zerstört hat. Ich bin mit den Entscheidungen der ÖVP restlos überfordert, wo es nur mehr um persönliche Befindlichkeiten und Macht geht."

Ex-FPÖ-, dann LIF-Politiker und jetzt Griss-Unterstützer Friedhelm Frischenschlager mutmaßt: "Nach dieser Wahl wird unsere Parteienlandschaft ordentlich ins Rutschen kommen. Hier ist es wichtig, dass eine Persönlichkeit, die wirklich unabhängig ist und wirklich über den Parteien steht, an der Spitze der Republik steht."

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