Was ist faul im Lande Kärnten?

Was ist faul im Lande Kärnten?
Korruption: Besonders Kärntner Politiker verbringen viel Zeit bei Staatsanwälten und vor Gericht. Promi-Kärntner erklären, warum.

Am Montag reist eine Kärntner Polit-Delegation nach Wien. Nicht um zu verhandeln oder zu repräsentieren – Landeshauptmann Gerhard Dörfler, sein Stellvertreter Uwe Scheuch, Finanzlandesrat Harald Dobernig und Stefan Petzner werden in der Bundeshauptstadt einvernommen. Der Verdacht: illegale Parteienfinanzierung.

Besonders Kärntner Spitzenpolitiker verbringen viel Zeit mit Staatsanwälten und bei Gericht. Scheuch ist bereits zum zweiten Mal (nicht rechtskräftig) in der "Part-of-the-Game"-Affäre verurteilt worden, ÖVP-Chef Josef Martinz ist wegen Untreue angeklagt. Und jetzt bringt eine Wahlkampfbroschüre aus dem Jahr 2009 Dörfler in Erklärungsnot.

Was ist faul im Staate Kärnten? Ist das südliche Bundesland die Hochburg der Unmoral? Peter Turrini, Schriftsteller und in Kärnten geboren, räsonierte kürzlich: Kärnten bringe nicht mehr Gauner als andere Bundesländer hervor – spezifisch sei nur der Umgang mit den Gaunereien. Ein anderer Exil-Kärntner, der PR-Profi Wolfgang Rosam, formuliert es so: "Hier werden die Dinge mit einem Augenzwinkern gesehen, man nimmt sie nicht so ernst, nicht so genau. Nach dem Motto – Lei locker lafn losn." Den FPKlern attestiert Rosam eine "Mir-san-mir-Mentalität".

Woher kommt diese Einstellung? Für Autor Werner Schneyder wurzelt das Korruptionsübel in der Ära Haider: "Er war ein großer Verführer, er hatte hier als gebürtiger Oberösterreicher immer den Exoten-Bonus und in seiner Zeit dann ein System aufgezogen, an dem das Land bis heute leidet." Die Mächtigen hielten sich für omnipotent: "Bis sich das löst, bis diese Blase platzt, wird es wohl noch ein, zwei Generationen dauern." Allerdings sei etwas in Bewegung: "Die Verteidigung von Haider und der Politik seiner Zeit passiert bei manchem Haider-Wähler mittlerweile mit einem erheblichen Scham-Gefühl. Nicht wenige begreifen, was da passiert ist."

Rückschritt

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Hans Schmid, einst Werber, heute Großwinzer, hatte die Haltung zu seinem Heimatland vor einigen Monaten revidiert: "Dass unter Dörfler der Streit um zweisprachige Ortstafeln gelöst worden ist, war ein Befreiungsschlag." Auch Rosam quittiert das mit einem "Hut ab". Umso schlimmer finden beide, dass Dörflers Vize Scheuch nicht abdanken will. "Das ist ein großer Rückschritt. Er ist noch dazu Bildungsreferent, sollte Vorbild für die Jugend sein", sagt Schmid. "Ich bin entsetzt, wie mit politischer Moral umgegangen wird. Wenn der Landeshauptmann sagt, es gebe keinen Grund für Scheuchs Rücktritt, dann hört sich alles auf", befindet Rosam. Schmid weiß "auch von vielen FPKlern, die das stört".

Was ist faul im Lande Kärnten?

Der Klagenfurter Literat Egyd Gstättner warnt grundsätzlich vor einem Pauschal-Befund: "Es gibt in Kärnten keine Tetschn-Kultur (Scheuch verteidigte vor einiger Zeit die "g’sunde Watschn") . Meine Landsleute haben sich nicht verdient, in einen Topf mit den Haiders, Scheuchs oder Kulterers geworfen zu werden." In Kärnten würden nicht andere Anstands- oder Polit-Gesetze gelten als in Rest-Österreich. "Aber Kärnten ist eine unverschämte Übertreibung der österreichischen Verhältnisse." Schneyders Optimismus teilt Gstättner nicht: "Die Ära Haider ist weder aufgearbeitet noch distanzieren sich die Menschen von ihr. Kärnten ist seit Jahrzehnten ein kleines, strukturschwaches Land, das mit harter Hand geführt wurde. Die Tyrannis war unter den Roten nicht weniger schlimm als heute, der von Haider etablierte Unstil ist bis heute prägend."

Dörfler: "Scheuch ist nicht Kärnten"

Wenn der Tour-de-France-Sieger gedopt ist, sind deswegen nicht alle Radfahrer gedopt. Ein Problem Uwe Scheuch ist nicht ein Problem von ganz Kärnten." Landeshauptmann Gerhard Dörfler verwahrt sich im KURIER-Interview gegen "das ständige Kärnten-Bashing. Natürlich ist ein Hypo-Prozess nicht zufriedenstellend. Es ist deshalb aber nicht alles faul im Lande Kärnten."

Den Vorhalt, dass es nicht nur die Hypo-Affäre, sondern auch die Causen Scheuch und Martinz gibt, quittiert Dörfler mit einem Vergleich: "Wenn die Volksbankengruppe und die Kommunalkredit an die Wand gefahren werden, sagt niemand, das sei ein Wiener Problem." In Sachen Scheuch bleibt der Landeschef dabei: "Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Gesetz, ab wann ein Politiker automatisch zu gehen hat (12 Monate unbedingte Haft) , hat nicht Kärnten erfunden. Dann muss der Gesetzgeber halt andere Regeln schaffen. Wenn es ein rechtskräftiges Urteil gibt, werden wir das neu bewerten." Dass er selbst wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung einvernommen wird, sieht Dörfler gelassen: "Das sind Vorerhebungen. Solche hat es auch beim Kanzler gegeben."

"Part-of-the-Game"-Affäre: Die Fakten

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Worum es geht Vor mehr als einer Woche wurde der stellvertretende Landeshauptmann von Kärnten, Uwe Scheuch, zum zweiten Mal in der "Part-of-the-Game"-Affäre wegen Geschenk-Annahme durch einen Amtsträger verurteilt. Im Wesentlichen geht es dabei um ein Tonband, auf dem zu hören ist, wie sich Scheuch für seinen Einsatz bei Förderungen und Staatsbürgerschaften eine Parteispende versprechen lässt.

Rücktritt Das Urteil gegen Scheuch (sieben Monate bedingt, 150.000 € Geldstrafe) ist nicht rechtskräftig, Scheuch und die Staatsanwaltschaft gehen jeweils in Berufung. Trotz Rücktrittsaufforderungen von prominenten Politikern wie Bundespräsident Heinz Fischer und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer will Scheuch seinen Sessel nicht räumen. Bereits vor einem Jahr war der Chef der Kärntner Freiheitlichen wegen des selben Delikts zu einer wesentlich schwereren Strafe verurteilt worden (18 Monate Haft, sechs davon unbedingt); der Prozess musste wegen eines Formfehlers wiederholt werden.

Birnbacher-Prozess: Die Fakten

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Worum es geht Beim "Birnbacher-Prozess" am Landesgericht Klagenfurt hat der Richter vergangenen Donnerstag dem angeklagten ÖVP-Obmann Josef Martinz (Bild) "empfohlen", ein Geständnis abzulegen. Martinz beauftragte einst gemeinsam mit Jörg Haider seinen Steuerberater Dietrich Birnbacher mit einem Gutachten über den Verkauf der Hypo-Bank, für das sechs Millionen Euro Steuergeld bezahlt wurden. Im Prozess gestand Birnbacher, dass die von ihm kassierten sechs Millionen Euro unangemessen waren. Martinz hatte das stets verneint und gerät nun in Bedrängnis.

Rücktritt Ein Urteil wird es zwar erst Anfang August geben. Martinz’ Tage als Kärntner ÖVP-Chef scheinen aber gezählt: Nachdem Vertreter der Bundes-ÖVP zuletzt Druck machten, hat Martinz für heute die Parteigremien einberufen. Hauptthema wird seine Ablöse. Der Druck der Bundespartei war laut Insidern kontraproduktiv – man will sich "von Wien" nichts vorschreiben lassen. Zudem gibt es einen Parteibeschluss, wonach Martinz bis zum Urteil Parteichef bleiben darf.

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