Was für und was gegen Irmgard Griss spricht

Wahlkampfmaterial von Irmgard Griss
Sie ging als erste in das Rennen um die Hofburg. Wird Griss den anfänglichen Vorsprung über die Ziellinie bringen?

Irmgard Griss hat auf jeden Fall den längsten Wahlkampf zu schlagen. Bereits am 17. Dezember des Vorjahres verkündete sie ihre Kandidatur für die Wahl zum Bundespräsidenten. Österreichweit bekannt wurde die ehemalige Höchstrichterin 2014 mit dem Bericht der nach ihr benannten Griss-Kommission zum Hypo-Debakel. Der Höhepunkt ihrer juristischen Karriere war aber bereits 2007 erfolgt: Da wurde Griss als erste Frau zur Präsidentin des OGH ernannt - von Bundespräsident Heinz Fischer. Nun will sie dessen Nachfolgerin werden. Auch in diesem Amt wäre sie die erste Frau in Österreich. Aber wird die 69-Jährige ihre passablen Umfragewerte über die Ziellinie bringen können und in eine Stichwahl kommen?

Was für Griss spricht:

  • Das auf den ersten Blick größte Atout von Irmgard Griss ist ihre Unabhängigkeit. Bereits in ihrem Antrittsvideo betonte die ehemalige Höchstrichterin, sie sei niemandem verpflichtet außer dem Volk, den Wählern und dem eigenen Gewissen. Von den "Big Five" ist sie die einzige Kandidatin, die sich tatsächlich als unabhängig bezeichnen kann.
  • Was beim Wahlvolk möglicherweise noch mehr wiegt: Griss ist keine Profi-Politikerin. Ihre klare Sprache hebt sich von dem bei vielen in Misskredit geratenen Politiker-Sprech ab. In dieser Disziplin matcht sie sich am ehesten mit Alexander Van der Bellen.
  • Mit ihrer Präsentation des Hypo-Berichts hat die Steirerin 2014 schlagartig ihre Bekanntheit gesteigert. Ihre deutlichen Worte ("Man könnte sagen, vielleicht war es eine österreichische Lösung, aber eben keine gute Lösung.") ließen aufhorchen. Möglicherweise kann die 69-Jährige durch diese Vorgeschichte auch viele Proteststimmen abrufen.
  • Der frühe Start ihres Wahlkampfes wurde zunächst skeptisch gesehen. Griss könnte zu früh ihr Pulver verschießen, hieß es. Doch mit der anfänglichen Alleinstellung gelang es, die Berichterstattung zu besetzen, bevor die großen Parteiapparate ihre Kandidaten in Stellung brachten. Die für eine Quereinsteigerin noch immer beachtlichen Umfragewerte (rund 20 Prozent) sind wohl eine Folge daraus.
  • Griss bringt Glaubwürdigkeit und Bedachtsamkeit mit - typische Attribute für das Amt. Internationale Erfahrung sammelte sie während des Studiums in Paris und danach bei einem Studienjahr an der Harvard Law School in den USA. Das liegt zwar schon lange zurück, von ihren Konkurrenten hat in diesem Punkt aber keiner deutlich mehr zu bieten. Nach eigener Aussage wollte sie "immer schon ins Ausland". Als Bundespräsidentin hätte sie ausreichend Gelegenheit dazu.

Was gegen Griss spricht:

  • Auch wenn Griss eine unabhängige Kandidatin ist, wird sie dennoch klar dem bürgerlichen bis liberalen Spektrum zugeordnet. Gerade in diesem Biotop angeln am meisten Kandidaten nach ihrer Wählerschaft. Das bedeutet viel Konkurrenz für die Juristin: Khol, Hofer - und selbst der den Grünen zuzurechnende Van der Bellen könnte viele bürgerliche Stimmen bekommen.
  • Unabhängigkeit sollte nicht damit verwechselt werden, kein politisches Profil zu haben. Griss wird im Wahlkampf zu diversen Fachthemen Stellung beziehen müssen. Der Mangel an politischer Erfahrung und Wendigkeit könnte sich dabei negativ auswirken.
  • Der Vorteil, keine Profi-Politikerin zu sein, kann daher auch zu einem Nachteil werden. Dass man am politischen Parkett rasch ausrutschen kann, musste Irmgard Griss feststellen, als sie vor einem ORF-Kamerateam Probleme hatte, den Beginn der Bundeshymne zu nennen. Das Fernseh-Publikum vergisst derlei Hoppalas nicht so schnell. Auch in einem "ZiB2"-Interview mit Armin Wolf reagierte die Ex-Richterin teilweise pikiert auf kritische Fragen. In den TV-Debatten wird sich Griss gegen etablierte Politiker bewähren müssen.
  • Griss ist die einzige der fünf aussichtsreichsten Kandidaten, die keinen Parteiapparat hinter sich hat. Mit den 6.000 Unterstützungserklärungen, die zunächst einmal aufzutreiben sind, sollte ihre "IG für Mut und Verantwortung" kein größeres Problem haben. Ein darauf folgender Intensiv-Wahlkampf wird allerdings mit den aus Spenden lukrierten Mitteln kaum zu führen sein. Griss hat derzeit (Stand: 1. März) erst ein Drittel der angepeilten 1,5 Millionen Euro an Budget erreicht. Das "wettbewerbsfähige Budget" wird auf Griss' Online-Spendenbarometer mit 1 Million Euro angegeben.

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