Warum Bundeskanzler Nehammer bei der Kurz-Premiere war

Dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch bei der Premiere des Films "Projekt Ballhausplatz" von Kurt Langbein nicht auftauchen wird, war klar. Er hatte dem Regisseur auch kein Interview gegeben. Dafür war er aber einige Tage davor mit all seinen (politischen) Freunden bei der Premiere von "Kurz - Der Film" von Regisseur Sascha Köllnreitner mehr als präsent gewesen. Für diese Kinostreifen hatte sich Sebastian Kurz auch als Interviewpartner zur Verfügung gestellt. Mit ihm feierten danach auch etliche ÖVP-Granden bis hin zu Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Und auch Kanzler Karl Nehammer erschien zu späterer Stunde. Danach machte in den sozialen Netzwerken vor allem jenes Foto die Runde, auf dem Nehammer mit seinen beiden Vorgängern im Kanzleramt, Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg, zu sehen ist.
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Mehrere Kommentatoren fragten sich danach, ob das bereits der Beginn der Rückkehr von Sebastian Kurz in die Politik gewesen ist. Was er immer wieder verneinte. Und warum Karl Nehammer zu dieser Party, auf der sich alles um den Ex-Kanzler dreht, überhaupt aufgetaucht ist.
Kurz-Wählerschaft zurückgewinnen
Manche Beobachter haben das Auftauchen des ÖVP-Kanzlers als bloßes Zeichen der alten Freundschaft gesehen. Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) sieht das anders. Für ihn steckt ein klares politisches Kalkül dahinter, wie er in einer Analyse erklärt. "Ich sehe im Erscheinen von Nehammer einen einfachen, wahlstrategisch relevanten Grund. Laut Umfragen hat die ÖVP heute etwa 15 Prozent weniger Wähleranteil als bei der Nationalratswahl 2019. Anders gerechnet hat sie also gut 40 Prozent ihrer damaligen Wähler verloren, das entspricht knapp einer Million Stimmen. Auch wenn diese Kurz-ÖVP-Wähler längst bei anderen Parteien, Nichtwählern, etc. gelandet sind, sie waren immerhin vor ein paar Jahren VP-Wähler mit starkem Kurz-Motiv. Zumindest ein Teil davon müsste ja für die ÖVP leichter ansprechbar sein als die woanders verankerte Wählerschaft."
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Sebastian Kurz mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel bei der Premiere von "Kurz - Der Film"
"Kino-Duell um Kurz hat einen Hauch Hollywood, diese Aura umweht Nehammer nicht"
Bachmayer verweist in diesem Zusammenhang auf das Credo in jedem Marketing-Lehrgang: "Zuerst die Kunden halten, dann Ex-Kunden zurückholen, dann Neue gewinnen." Wenn es also Nehammer gelänge, nur jeden Dritten der verlorenen Kurz-ÖVP-Wählerschaft zurück zu gewinnen, würde das bei der Wahl den ersten Platz bedeuten. Bachmayer: "Gemeinsame Bilder und Schulterklopfen mit Kurz können in dieser personenoríentierten Gruppe mehr bringen als manche Sachthemen. Von einem Dissens mit Kurz würden nur die anderen Parteien profitieren." Das ist für den Meinungsforscher der Hauptgrund, dass Nehammer weiterhin "die Nähe zu Kurz sucht". Entscheidend sei aber die richtige Dosis. Bachmayer: "Zu viel Kurz könnte schaden und nicht zuletzt Nehammer in seinen Schatten stellen. Das Kino-Duell um Kurz hat einen Hauch Hollywood, diese Aura umweht Nehammer nicht."
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Keine Liste Kurz
Dass Sebastian Kurz jetzt Lust darauf bekommen könnte, mit einer eigenen Liste anzutreten - wie ebenfalls schon spekuliert wird - glaubt Bachmayer nicht. "Über eine Liste Kurz zu phantasieren, halte ich für ziemlich naiv. Kurz wäre verrückt, wenn er so etwas machen würde. Und das ist er definitiv nicht." Er glaubt eher, dass er jetzt ein paar Jahre unternehmerisch tätig sein wird. "Danach ist vieles möglich."
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Im Gegensatz zum Kinostreifen "Kurz- Der Film" war bei der Premiere des Langbein-Films "Projekt Ballhausplatz" nur ein hochrangiger ÖVP-Vertreter erschienen: Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, der sich immer wieder kritisch zur Ära Kurz geäußert hatte. Er hält ein Comeback von Kurz übrigens für möglich, sollten die Gerichtsverfahren für den Ex-Kanzler positiv ausgehen. Der erste Schritt dazu wäre am 18. Oktober. Da muss sich Sebastian Kurz wegen einer angeblichen Falschaussage vor dem U-Ausschuss vor einem Richter verantworten.
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