Kurz-Prozess: Die Strategien der Anklage und der Verteidigung

Kurz-Prozess: Die Strategien der Anklage und der Verteidigung
108 Seiten umfasst der Strafantrag der WKStA gegen Sebastian Kurz, Bernhard Bonelli und Bettina Glatz-Kremsner.

Als „untypisch“ bezeichnete es der Strafrechtsexperte Robert Kert in der ZiB2, dass der Strafantrag gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie seinen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli und Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner 108 Seiten umfasst. Bei Strafanträgen, die dann vor einem Einzelrichter landen, brauche es eigentlich gar keine Begründung, sagte Kert.

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wollte allerdings keinen Aspekt auslassen und die wenigen Minuten aus dem Ibiza-U-Ausschuss, um die es geht, ganz genau dokumentieren. Sie muss dem ehemaligen Kanzler auch nachweisen, dass er bei der Befragung im U-Ausschuss im Juni 2020 vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat. Es geht darum, ob er in die Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG involviert war oder nicht. Kurz hatte sich im Ausschuss darauf beschränkt, dass er „informiert“ war. Wenige Monate später wurde er deswegen von den Abgeordneten Stephanie Krisper (Neos) und Jan Krainer (SPÖ) bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Neben dem Strafantrag gibt es auch schon die Verteidigungslinie von Sebastian Kurz. Dieses Papier, die „verantwortliche Äußerung“, umfasst nur fünf Seiten.

Die Vorwürfe der WKStA

Erstens geht es darum, dass Sebastian Kurz auf die Frage, ob er bei der Bestellung von Thomas Schmid schon im Vorfeld eingebunden gewesen ist, mit den Worten „eingebunden im Sinne von informiert“ geantwortet hat. Dazu führt die Staatsanwaltschaft aus: Kurz habe die Frage mit diesem Satz bejaht, „obwohl er selbst im Frühling/Sommer 2017 – schon lange vor ersten Medienberichten über die Vorstandsbesetzung – an MMag. Schmid herangetreten war, um ihn mit der Vorbereitung der Strukturreform zu beauftragen und ihm mitgeteilt hat, dass er seine (MMag. Schmids) Rolle in der Leitung der neu zu strukturierenden Beteiligungsgesellschaft sehe“.

So das Zitat aus dem Strafantrag. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass Kurz nur wenige Monate später in einem als Zusatz zum Koalitionsabkommen von ihm unterfertigten Sideletter mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein Nominierungsrecht der ÖVP für den Vorstand der Beteiligungsgesellschaft vereinbart habe. Im Zuge der Umsetzungsphase habe er dann die Bestellung von Schmid befürwortet und unterstützt.

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In einem zweiten Vorwurf geht es um die Besetzung des Aufsichtsrats der ÖBAG. Da hatte Kurz im U-Ausschuss gesagt, dass er die Entscheidungen nicht getroffen und die Aufsichtsräte nicht ausgewählt habe. Er wisse nur, dass es im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Gespräche und Überlegungen gegeben habe. Das bezeichnet die WKStA als eine „tatsachenwidrige“ Ausführung. Dabei wird wieder auf den Sideletter zwischen Kurz und Strache im Zuge der Koalitionsverhandlungen verwiesen. Zitat aus dem Strafantrag: „er […] sich bei vielen Gesprächen zur Besetzung des Aufsichtsrats beteiligte und aktiv einbrachte, in Umsetzung dieser Nominierungsrechte sämtliche von der ÖVP zu benennenden Aufsichtsräte mit ihm selbst ‚abstimmen‘ ließ“.

Im dritten Vorwurf geht es um eine Chatnachricht von Strache an Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) über eine Vereinbarung zwischen Schmid und dem FPÖ-Mann Arnold Schiefer. Kurz gab an, dass er keine Ahnung habe, was die beiden vereinbart haben. Auch das hält die WKStA für „tatsachenwidrig“.

Die Verteidigung

Gleich in der Einleitung erklärt der ehemalige Kanzler noch einmal, dass er keine Absicht gehabt habe, bewusst tatsachenwidrig zu antworten. Zitat aus seinem Schreiben: „Ich hatte nicht die geringste Absicht, vor dem Untersuchungsausschuss falsche Aussagen zu machen und habe das in Bezug auf meine damaligen Erinnerungen auch nicht getan.“

Zur Vorstandsbestellung von Thomas Schmid, zu der er von Neos-Abgeordnetem Helmut Brandstätter befragt worden war, erklärt Kurz: „Ich wollte zur gegenständlichen Frage des Abgeordneten Brandstätter nicht verneinen, dass ich mit Schmid bereits früher über sein Interesse gesprochen habe und habe dies auch nicht getan.

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Sebastian Kurz verweist auch darauf, dass er sich damals wegen der schwierigen politischen Lage (Corona-Pandemie) nicht wirklich auf die Befragung im Ibiza-U-Ausschuss vorbereiten habe können. Wieder mit dem Hinweis verbunden, er habe nicht mit Absicht etwas Falsches sagen wollen.

Wem Einzelrichter Michael Radasztics am Ende des Tages mehr Glauben schenkt, wird im Oktober im Landesgericht in Wien entschieden. Sicher ist, dass diese Auftritte im Schwurgerichtssaal für großes Medieninteresse sorgen werden – auch im Ausland.

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