Mit der Anklage gegen Sebastian Kurz geht die WKStA ein hohes Risiko ein

Endlich ist ein Finale in Sicht. Endlich wird vor Gericht geklärt, ob es gerechtfertigt war, wegen einer angeblichen Falschaussage vor dem parlamentarischen U-Ausschuss gegen einen mittlerweile ehemaligen Regierungschef rund zwei Jahre (!) zu ermitteln. Endlich wird die Republik von einem Fall befreit, dessen Inszenierung schon zu lange auf ihr lastet. Gleichgültig, wie der Richterspruch am Ende lauten wird.
Seit dem Frühjahr 2021 hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einer erstaunlichen Verbissenheit im Visier, weil er 2020 im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt haben soll. Thema war, inwieweit er auf die Bestellung von Thomas Schmid als Chef der ÖBAG Einfluss genommen hat. Seit Freitag wissen wir nun offiziell, dass sich der türkise Ex-Politiker deswegen am 18. Oktober vor einem Einzelrichter verantworten muss.
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In dieser langen Zeit wurden Berge von Akten produziert, an die 30 Zeugen einvernommen, regelmäßig Verfahrensschritte und Spekulationen gezielt in der Öffentlichkeit platziert. All das hat den Auftritt von Sebastian Kurz im U-Ausschuss zur Staatsaffäre werden lassen, die selbst im Ausland genau verfolgt wird.
Dabei geht es bei diesem Strafantrag, dem eine Anzeige der Neos zugrunde liegt, um das eher kleinere Delikt im Vergleich zu dem, was dem Ex-Kanzler theoretisch wegen der Aussagen von besagtem Thomas Schmid drohen kann. Auch wenn für so eine Falschaussage bis zu drei Jahre Haft angesetzt sind.
Sebastian Kurz geht davon aus, dass der Prozess mit einem Freispruch enden wird. Obwohl er und sein Anwalt natürlich wissen, dass der Auftritt vor einem Richter immer ein Risiko in sich birgt.
Für die WKStA ist die Klage ein Tanz auf Messers Schneide
Ein viel höheres Risiko ist allerdings die WKStA mit dieser Anklage gegen Kurz eingegangen. Für sie wird es zu einem Tanz auf Messers Schneide. Sie kann es sich kaum mehr leisten, erneut so einen glamourösen Fall zu verlieren – vor allem nicht diesen. Nach den Freisprüchen für die Ex-Politiker Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Christoph Chorherr (Grüne) ist das Image der Anklagebehörde bereits angekratzt.
Auch wenn sich die grüne Justizministerin Alma Zadić zuletzt wieder schützend vor ihre Staatsanwälte gestellt hat – bei einem Freispruch würde vor allem ein Thema sofort wieder aufkochen: Wer ist im Justizministerium das Korrektiv für die WKStA?
Seitdem Sektionschef Christian Pilnacek und Oberstaatsanwalt Johann Fuchs von der Ministerin an den Spielfeldrand gestellt worden sind, scheint es keine wirkliche Fachaufsicht mehr zu geben. Deswegen sind die Prozesstage im Oktober auch so entscheidend. Für Sebastian Kurz, für die WKStA – und letztlich auch für die Justizministerin.

Martin Gebhart leitet das Innenpolitikressort des KURIER.
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