Warum die Schule nicht reif fürs Leben macht

Hannes Androsch, Josef Moser und Andreas Salcher
Die Diagnose - das teure Schulsystem leistet zu wenig - ist bekannt. Aber welche Therapie - welche Reform - bräuchte es eigentlich?

Die Diagnose liegt seit Jahrzehnten vor: Österreichs Schulsystem ist das zweitteuerste unter den 28 EU-Staaten, die Rahmenbedingungen sind günstig, aber die Ergebnisse belegen klar, dass es Veränderung braucht.

Denn – und das ist nur ein Aspekt – ein Fünftel der Schüler kann nach neun Jahren Schulpflicht nicht sinnerfassend lesen und hat Probleme mit den Grundrechnungsarten.

Ein Teil der Jugendlichen wird also nicht oder zu wenig auf das Berufsleben vorbereitet. Die Frage ist, wie die Therapie – also eine Totalreform des Systems – aussehen soll.

Zum Start der diesjährigen Zentralmatura (siehe rechts) legten drei ausgewiesene Experten des Bildungssystems – je einer aus der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ – ihren Befund der geplanten Bildungsreform vor. Er fällt vernichtend aus.

Nicht diese Reform

Tenor der Pressekonferenz von Hannes Androsch, dem Initiator des Bildungsvolksbegehrens von 2011, Andreas Salcher, ehemals Schuldirektor, Sachbuchautor und KURIER-Schüleranwalt, und Josef Moser, 12 Jahre lang Präsident des Bundesrechnungshofes: Besser keine Reform, als jene, die die Regierung derzeit im Parlament vorgelegt hat.

Dabei lobten alle drei die ursprüngliche Intention der Reform aus dem Jahre 2015 von der damaligen SPÖ-Bildungsministerin Heinisch-Hosek und ÖVP-Staatssekretär Mahrer: Die Politiker versprachen damals, in einer Reform unter anderem eine verpflichtende Lehrerfortbildung am Schulstandort, die tatsächlich unabhängige Bestellung von Leitungsposten sowie die Möglichkeit zur Einstellung und Kündigung von Lehrern durch den Schulleiter.

"Was 2015 angekündigt wurde, ist zwei Jahre später nicht einmal mehr in homöopathischen Dosen erkennbar", findet Salcher.

Androsch stößt sich daran, dass die vielen Zugeständnisse während der monatelangen Verhandlungen mit Vertretern der Landesregierungen und in 12 Runden Verhandlungen mit den fünf Lehrer-Teilgewerkschaften nicht zu der erwarteten "beachtlichen", sondern nur zu einer "bis zur Unkenntlichkeit verwässerten" Reform geführt habe.

Und Moser, der sich jahrelang in seiner Funktion als Rechnungshof-Präsident mit den Ineffizienzen des Schulsystem beschäftigt hat, stellte fest, dass diesmal nicht gegolten habe "Was lange währt, wird endlich gut" – sondern leider: "Viele Köche verderben den Brei." Moser ärgert sich insbesonders über die Zersplitterung der Konsequenzen in den geplanten neun Bildungsdirektionen. Deren Direktor könne Weisungen sowohl vom jeweiligen Landeshauptmann als auch aus dem Bundesministerium bekommen, Konflikte seien damit programmiert.

Oder bei den Schulclustern, Schulverbünde mit bis zu acht Schulen. Er warnt vor sicheren Konflikten mit der Schulautonomie, wenn der Clusterleiter über den Bereichsleiter einer Schule bestimmen könne.

Was fehlt

Konkret kritisiert Moser, dass die Regulierungen, unter denen vor allem die Lehrer leiden, nicht abgebaut, sonder ausgebaut werden. Eine klare Aufgaben-Ausgaben-Verantwortung sei ebenso nicht geplant, Zuständigkeiten würden nur weiter zersplittert statt gebündelt.

Mosers Kritik wird übrigens auch von Margit Kraker, seiner Nachfolgerin im Rechnungshof geteilt. In seiner Stellungnahme erläutert der Rechnungshof, eines der "Grundprobleme der Schulverwaltung" sei "die komplexe Kompetenzverteilung und die fehlende Übereinstimmung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und allenfalls auch Gemeinden". "Diese beiden Themenbereiche sind vom Entwurf nicht umfasst, weshalb die Grundprobleme der Kompetenzzersplitterung bestehen bleiben und keine gesamthafte Reform der Schulverwaltung vorliegt."

Für die drei Experten Androsch, Salcher und Moser ist ein Teil der Lösung, die rund 2000 Kleinschulen mit weniger als 100 Kindern aufzulösen. Man könne nicht Kleinstschulen in den ausdünnenden ländlichen Regionen aufrechterhalten und gleichzeitig neue Schulen in den wachsenden Ballungsräumen bauen.

Alle drei plädieren vor allem dafür, das Thema – wie das die Bundesverfassung vorsieht – im Parlament, und nur dort, zu verhandeln und zu beschließen. Konfrontationen und Konflikte seien dabei erwünscht, meint Salcher, der den Publizisten Jörg Mauthe zitiert: "In Österreich machen wir den Kompromiss, bevor wir den Konflikt ausgetragen haben."

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