Wer drin ist und wer Dritter wird, könnte offen bleiben

Die Wahlkarten-Wähler könnten das Schicksal der Neos und das Rennen um Platz 3 erst am Montag entscheiden.

Matthias Strolz glaubt fest daran. Der vor Optimismus schier platzende Chef der Kleinpartei Neos ist felsenfest überzeugt, dass die Pinken dem nächsten Parlament angehören. Ob dem so ist, könnte freilich nicht am Wahlsonntag, sondern möglicherweise erst am Montag feststehen. Denn die potenziellen Unterstützter der Neos sind ausnehmend Wahlkarten-affin, sprich: Unter den geschätzten 500.000 Wahlkarten-Wählern (2008 waren es 461.161) sind überdurchschnittlich viele Liberale.

Da die Briefwahlkarten aber erst am Montag ausgezählt werden, ist es durchaus möglich, dass die Neos die Vier-Prozent-Hürde quasi in letzter Sekunde nehmen.

„Das Liberale Forum hatte 2008 bei den Wahlkarten-Wählern einen doppelt so hohen Anteil wie bei den Urnen-Stimmen“, sagt der für die offizielle Hochrechnung zuständige Wahlforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut. „Schaffen die Neos bei den Urnen-Wahlstimmen 3,6 Prozent, ist es realistisch, dass sie dank der Wahlkarten noch ins Parlament kommen.“

Kampf um Platz 2

Auch Experte Peter Filzmaier hält es für denkbar, dass die Wahlkarten über den Einzug entscheiden – „vorausgesetzt, es wird sehr knapp“.

Apropos knapp: Will die FPÖ die Volkspartei am Wahlsonntag überholen, muss sie kräftig zulegen, um Platz 2 zu behaupten. Hofinger: „Beträgt die Differenz nicht zumindest ein Prozent, dann wird die ÖVP die FPÖ dank der Wahlkarten-Stimmen wohl noch überholen.“ Der Grund: Die FPÖ hat erfahrungsgemäß weniger Wahlkarten-Wähler, sie verliert in der Regel im Laufe der Auszählung.

Taktisches Wählen

Eine „demokratiepolitische Lücke“ orten die Wahlforscher nach wie vor beim „taktischen Wählen“.

So ist es zwar mittlerweile unmöglich, dass Briefwahl-Wähler (wie 2008) mit der Stimmabgabe bis zur Hochrechnung warten – alle Wahlkarten- und Briefwahlstimmen müssen am Sonntag um 17 Uhr bei der Wahlkommission sein.

Dessen ungeachtet können Trends und Ergebnisse bereits ausgezählter Gemeinden aber durchsickern – und via Twitter, Facebook, etc. eine breite Öffentlichkeit erlangen. Formal ist diese Daten-Weitergabe verboten; im Unterschied zu Deutschland sind dafür aber keine Sanktionen bzw. Verwaltungsstrafen vorgesehen.

Für Wahlforscher Peter Hajek ist das problematisch: „Der Staat muss sicherstellen, dass Wahlergebnisse erst dann veröffentlicht werden können, wenn die Wahl geschlagen ist. “

Die Lösung wäre vergleichsweise simpel. Experte Filzmaier: „Würden, wie in Deutschland, alle Wahllokale zur selben Zeit schließen bzw. ihren Stimmen auszählen, gäbe es einfach keine Ergebnisse, die vorab durchsickern können.“

Wahlkarten

Die Fakten Am Freitag, 12 Uhr endet in ganz Österreich die Frist, um eine Wahlkarte zu beantragen. Diese muss persönlich bei Gemeinde oder Magistrat beantragt werden.

Wahl bis Sonntag, 17 Uhr Stimmzettel, die am Sonntag nicht eingelangt sind, sind ungültig. Das bedeutet: Briefwähler müssen sicher gehen, dass der Postweg nicht zu lange dauert (in Wien werden die Briefkästen auch Sonntagfrüh geleert). Wahlkarten-Wähler müssen am Sonntag ein Wahllokal aufsuchen, wobei hier sehr unterschiedliche Öffnungszeiten gelten.

Alles rund um die Nationalratswahl gibt es hier.

Wahlberechtigte Exakt 6.384.296 Bürger sind am 29. September wahlberechtigt – so viele wie noch nie. Nach Bundesländern aufgesplittet, gibt es die meisten Wahlberechtigten in Niederösterreich: Knapp 1,3 Millionen Menschen können dort ihre Stimme abgeben.

Wahlbeteiligung 1,34 Millionen machten bei der Nationalratswahl 2008 nicht von ihrem Stimmrecht Gebrauch – ein Negativrekord. Das waren 21,2 Prozent aller Wahlberechtigten. Experten meinen, dass auch diesmal nicht mehr Menschen wählen werden.

Wahlbehörden Für einen korrekten Ablauf der Nationalratswahl werden rund 100.000 Personen in den etwa 11.000 Wahlbehörden sorgen. Sie bestehen aus einem Wahlleiter, Beisitzern und Vertrauenspersonen der Parteien. Die Sprengel- und Gemeindewahlbehörden zählen die Stimmen aus, übermitteln diese an die Bezirkswahlbehörden. Diese leiten die Ergebnisse an die Landeswahlbehörden weiter, von dort gehen sie an die Bundeswahlbehörde.

Erstwähler 348.000 Jugendliche dürfen erstmals bei der Nationalratswahl ihre Stimme abgeben. Untersuchungen über das Wahlverhalten junger Menschen zeigen, dass Berufsschüler bevorzugt SPÖ und FPÖ wählen, während Absolventen höherer Schulen überwiegend bei SPÖ, ÖVP oder Grünen ihr Kreuzerl machen.

Migranten Mehr als eine halbe Million Wähler haben ihre Wurzeln außerhalb Österreichs – eine immer größere Zielgruppe. Viele Parteien haben auch Migranten auf ihren Kandidatenlisten, die teils sehr gute Chancen auf ein Mandat im Nationalrat haben.

Pensionisten Eine äußerst relevante Gruppe bei der Wahl sind auch die rund zwei Millionen Pensionisten. Laut einer GfK-Analyse der Nationalratswahl 2008 wählten die Senioren bevorzugt die Großparteien. 38 Prozent gaben der SPÖ ihre Stimme, 28 Prozent der ÖVP.

Mandate 183 Mandate im Nationalrat werden am 29. September vergeben. Diese werden in einem dreistufigen Verfahren eruiert (Regional-, Landes- und Bundesebene). Aktuell ist die SPÖ mit 57 Abgeordneten die stärkste Fraktion im Parlament, das Team Stronach mit fünf Mandataren die kleinste.

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