Warum Wahlbeisitzer nach der Wien-Wahl verärgert sind

Es war beinahe 19 Uhr, als am Wahlsonntag in Wien die ersten Hochrechnungen veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zur "Trendprognose", einer groß angelegten Umfrage, sind die Basis einer Hochrechnung tatsächlich ausgezählte Wählerstimmen. Warum hat das so lange gedauert?
In Wien schließen alle Wahllokale gleichzeitig, um 17 Uhr. Erst dann startet die Stimmauszählung. Bei anderen Landtagswahlen liegen zu diesem Zeitpunkt schon Teilergebnisse kleinerer Gemeinden vor, in denen die Wahllokale früher schließen. Hochrechnungen sind dann möglich, wenn etwa ein Zehntel der Stimmen ausgezählt wurde.
Neuer Modus hat demokratiepolitische Vorteile
Tatsächlich arbeiteten die Wahlkommissionen diesmal aber unter verschärften Bedingungen. Grund: Am Sonntag mussten sie bei einer Wien-Wahl erstmals am Wahltag abgegebene Stimmzettel zusammen mit Briefwahlstimmen auszählen. Das betraf Briefwahlstimmen österreichischer Staatsbürger, die bis Freitag, 17 Uhr, bei der Wahlbehörde eintrafen.
Den neuen Modus hat Wien vom Bund übernommen. Im alten erfolgte die Auszählung aller Briefwahlstimmen erst am Tag nach der Wahl. Am Wahltag waren die Wahlkommissionen deshalb im Normalfall recht schleunig mit der Auszählung fertig. Dafür mussten die Stimmen der Briefwähler prognostiziert werden. Heißt: Das neue Modell hat den großen Vorteil, dass die Unterschiede zwischen dem Ergebnis am Sonntag und dem Endergebnis nur noch minimal sind.
Bis zu 18 Stunden im Einsatz - freiwillig
Beim Ablauf der Auszählung dürfte es aber noch Verbesserungsbedarf geben. Freiwillige Wahlbeisitzer, die anonym bleiben wollen, zeigen sich über den Wahlsonntag im Gespräch mit dem KURIER teils verärgert. Sie bilden jenen Teil der Wahlkommission, der von Parteien gestellt wird - in Wien insbesondere von der SPÖ. Die Auszählung hätte in manchen Sprengeln bis Mitternacht gedauert, heißt es. Manche Beisitzer, sie bekommen 100 Euro Aufwandsentschädigung, waren bis zu 18 Stunden im Einsatz.
Die lange Dauer hat mehrere Gründe: Erstens muss die Wahlkommission nun am Sonntag deutlich mehr Stimmen auszählen. Zweitens ist die Auszählung und Prüfung der Briefwahlstimmen in Summe anspruchsvoller, weil Briefwähler häufiger Vorzugsstimmen vergeben. Drittens wird in Wien die Gemeinde- sowie Bezirksvertretung gewählt, womit de facto zwei Wahlen parallel stattfinden. "Wir mussten unzählige Kuverts und Listen ausfüllen, die Sorge vor einem Fehler war riesig. Es muss sich etwas ändern, sonst werden wir nicht mehr genügend Freiwillige finden", sagt ein Wahlbeisitzer.
Vereinzelte Kritik an Wahlleitern
Muss der Modus geändert werden? Hier spalten sich die Meinungen unter den Wahlbeisitzern. In manchen Wahllokalen soll es zu fortgeschrittener Stunde zu chaotischen Zuständen bei der Auszählung gekommen sein. Die Kritik richtet sich, neben dem Modus, in vereinzelten Fällen auch gegen Wahlleiter, die von der Stadt gestellt werden. Diese hätten schlecht geschult gewirkt und Schwierigkeiten gehabt, das Protokoll zu befolgen, heißt es etwa.
Fest steht auch: Sämtliche Missverständnisse konnten im Laufe des Abends geklärt werden. Und: Aus vielen Wahllokalen gibt es zwar Kritik an der langen Dauer, aber ebenso Lob für die Wahlleiter. "Wir werden uns anschauen, was wir organisatorisch beim nächsten Mal noch besser machen können", heißt es von Seiten der Stadt Wien.
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