Gegenseitige Anschüttungen im Ministerrat
Der Ministerrat unmittelbar vor der wohl vorletzten Nationalratssitzung vor der Wahl ist am Mittwoch zur Wahlkampfbühne verkommen. Die ÖVP brachte das an sich schon gescheiterte Sicherheitspaket in die Regierungssitzung ein, die SPÖ thematisierte im Vorfeld die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Gegenseitig warf man sich Wahlkampf-Aktionismus vor. Von "Ankündigungspolitik" und "Basar" war etwa die Rede.
Die ÖVP will noch einmal den Druck auf die SPÖ erhöhen, doch dem Sicherheitspaket, das u.a. mehr Video- und Online-Überwachung vorsieht, zuzustimmen. Weiterhin zu warten sei "unverantwortlich", gerade nach dem jüngsten Terror in London seien die Maßnahmen "mehr denn je notwendig", meinte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Man werde sehen, wer wirklich für Sicherheit stehe, sagte er Richtung SPÖ. Eigentlich hatte zuletzt sogar Sobotka selbst schon das Sicherheitspaket, abgeschrieben - weil sich der "linke Flügel" durchgesetzt habe.
Absage
Von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder kam am Mittwoch abermals eine Absage für das Sicherheitspaket. Stattdessen sieht er die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten als "dringendes Unterfangen" und er "verstehe nicht ganz, dass man sich da jetzt ziert", richtete er der ÖVP aus. Notfalls werde man sich eben andere Mehrheiten suchen. Je fleißiger der Ministerrat und "je konstruktiver die ÖVP", desto weniger Initiativanträge werde es im Parlament geben, meinte Schieder - als Drohung wollte er das freilich nicht verstanden wissen.
Sobotka räumte für die ÖVP ein, dass die Streichung der unterschiedlichen Regelungen für Arbeiter und Angestellte im Wahlprogramm steht, es handle sich aber um eine komplexe Materie, die etwa einer Begutachtung bedürfe. Die SPÖ mache das gleiche wie schon vor der Wahl 2008, "sie eröffnet einen Basar", warf Sobotka den Roten "Wahlkampfzuckerln" vor.
Kaum Beschlüsse
Tatsächlich beschlossen wurde am Mittwoch beim möglicherweise letzten Ministerrat vor der Wahl wenig. "Es war eine relativ unspektakuläre Sitzung", erklärte Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) nach der recht kurzen Zusammenkunft vor Journalisten. Durchgebracht hat man etwa zumindest die Verlängerung der Bundesmittel für den Ausbau der Kinderbetreuung oder das Verhandlungsmandat für das Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland.
Ansonsten sei die Beschlussfassung bei weitem nicht so umfangreich gewesen wie erwartet, bedauerte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) - bei einem eigenen Auftritt vor den Medien. So habe die SPÖ ein Bekenntnis zu einem Nein zum umstrittenen Pestizid Glyphosat auf EU-Ebene sowie die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten auf die Tagesordnung reklamiert, es habe aber keine Beschlüsse gegeben, kritisierte Drozda.
Gerade was die Beseitigung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten betrifft, zeigte sich Drozda "besonders verwundert", stehe dies doch im Wahlprogramm von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Er habe wie schon in den vergangenen 15 Monaten den Eindruck, dass die Regierungsarbeit seitens der ÖVP "sabotiert und boykottiert" werde, meinte Drozda. Die Volkspartei sei offensichtlich mehr mit Dirty Campaigning, Personal- und Machtfragen beschäftigt, verwies Drozda süffisant auf Medienberichte zu einem angeblichen älteren "Strategiepapier" von Kurz zur Machtübernahme der ÖVP.
Blockadevorwurf
Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) zeigte sich verärgert darüber, dass die Strategie für den neuen Mobilfunkstandard 5G nicht beschlossen werden konnte, weil die ÖVP hier blockiere. Damit schade die Partei dem Standort Österreich und gefährde neue Arbeitsplätze, so Leichtfried: "Wir wollen, dass Österreich Vorreiter wird." Das Ressort verwies darauf, dass man im Gegensatz zu anderen Ländern konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne habe. Noch im September will Leichtfried eine Testregion auf die Beine stellen.
Debatte über Sicherheit
Die ÖVP wiederum zeigte sich enttäuscht, dass die SPÖ dem Sicherheitspaket mit mehr Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei nicht zugestimmt hat. Jemand habe einmal gesagt, "Wahlkampf ist nicht unbedingt die Zeit der Logik", meinte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Aus seiner Sicht sei es "bedauerlich, die Sicherheitsaspekte zu opfern". Auch Justizminister Brandstetter bedauerte die Ablehnung, meinte aber: "Es ist halt so."
Jetzt würden sich die Themen ins Parlament verlagern, meinte Brandstetter, und: "Was im Parlament passiert, wissen die Götter." Er warnte jedoch vor Beschlüssen, die viel Geld kosten und die man im Nachhinein reparieren muss. Bei der von der SPÖ gewünschten Sammelklage etwa brauche es eine Begutachtung, lehnte er auch generell Schnellschüsse ab.
Auch Drozda verwies darauf, dass die Musik ab jetzt im Parlament spielt: Dort will die SPÖ nicht nur weiterhin die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten debattieren, sondern auch die gewünschte Mietrechtsreform. Dass es zu letzterer schon mediale Absagen von Schwarz und Blau gibt, hat Drozda "nicht nachhaltig beeindruckt". Man wolle trotzdem darüber reden, wie man die Mieten senken könne.
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