Heinz-Christian Strache: "Ich bin gelassener und ruhiger geworden"

Interview mit Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann der FPÖ
Warum Heinz-Christian Strache ÖVP-Chef Sebastian Kurz für einen Wiedergänger Karl Heinz Grassers hält, was für ihn in einem Regierungsprogramm unverhandelbar ist, was aus seinem Traum, Kanzler zu werden, wurde – und wo die Grenzen seiner Beziehung mit Vladimir Putin sind.

KURIER: Herr Strache, in den Augen ihres deutschen Parteifreunds Herrn Gauland müssen Sie ein ziemliches Weichei sein.

Heinz-Christian Strache: Warum (lacht laut)?

AfD-Fraktionschef Gauland hat gesagt, man muss "die Regierung jagen". Sie haben unsere Regierung stark kritisiert, aber "gejagt" haben Sie sie nicht. Haben Sie da etwas falsch gemacht?

Das ist nicht meine Diktion. Man geht jagen, wenn man einen Jagdschein hat, den habe ich noch nicht. Sonst wäre ich ein Wilderer und das darf und will ich nicht sein.

Teilen Sie Gaulands Parole: "Wir müssen uns unser Land und unser Volk zurückholen"?

Da muss man ihn fragen, wie er das meint. Wir als Freiheitliche haben vielleicht ähnliche Problemanalysen. Bei Lösungen unterscheiden wir uns in vielen Bereichen von der AfD. Ich glaube, wir haben in Österreich natürlich dafür Sorge zu tragen, dass wir nicht zu Fremden in der eigenen Heimat werden. Das ist ja in manchen Bereichen der Fall. Wenn wir da die Integration nicht endlich sicherstellen, dann kann sich die Entwicklung in wenigen Jahrzehnten radikalisieren und es zu Konflikten kommen, die wir nicht wollen.

Der KURIER hat zum Thema Integration zuletzt eine ganze Serie geschrieben und dabei Probleme und Lösungen aufgelistet. Radikale Parolen bringen uns nicht weiter. Wo sind Ihre Lösungen?

Diese Lösung haben wir schon 1993 vorgeschlagen, man hat nur leider nicht auf uns gehört. Wir haben damals mit dem "Österreich zuerst"-Volksbegehren sehr deutlich darauf hingewiesen, dass sich man die Zuwanderung kontrollieren und begrenzen müssen. Das hat man nicht getan. Dass man auch im Schulsystem Deutsch vor Schuleintritt sicherstellen muss. Das ist bis heute nicht der Fall.

Jetzt sagt das Sebastian Kurz und ist damit deutlich erfolgreicher. Das muss Sie nicht nur ärgern, sondern auch fragen lassen: Was macht er besser als Sie?

Das ärgert mich nicht. Ich ärgere mich nur darüber, dass er nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Er ist ja sieben Jahre in der Regierung gewesen, war immer Teil der ÖVP. Er hat dem Islam den roten Teppich ausgerollt und als Wiener Gemeinderat allen Subventionen für islamische Kindergärten zugestimmt. Er hat in Wahrheit nicht auf uns gehört. Wir haben ja Problementwicklungen rechtzeitig erkannt. Er war auch 2015 mit dabei, als einstimmig im Ministerrat beschlossen wurde, nicht die österreichischen Grenzen zu schützen und zu kontrollieren und die Flüchtlinge auch nicht zu registrieren. Wenn er mutig genug gewesen wäre, hätte er das mit einem Veto verhindern können.

Das alles werfen Sie Kurz schon lange immer wieder vor, aber dennoch laufen die Leute lieber ihm als Ihnen nach.

Das erlebe ich anders. Denn wenn wir die gleichen Veranstaltung in den Ländern vergleichen, wo er aufgetreten ist und wir aufgetreten sind, haben wir teilweise doppelt so viele Besucher.Auf 10.000 Leute in der Stadthalle wie zuletzt Kurz sind sie noch nicht gekommen ...

Das war die einzige Veranstaltung mit so vielen Menschen. Da mussten die Leute aber mit Bussen aus den Ländern herangekarrt werden.

Kurz und Kern liefern sich ein Duell um den Kanzler, von Ihnen hat man – im Gegensatz zu früher – in diesem Wahlkampf nie gehört: "Ich will Kanzler werden." Warum sagen Sie das nicht mehr?

Weil ich gelassener und ruhiger geworden bin. Ich glaube es wäre anmaßend zu sagen, ich will das und ich fordere das. Vielleicht werden wir die stärkste Kraft. Das entscheiden die Österreicherinnen und Österreicher.

Liegt es nicht auch daran, dass Sie schon lange nicht mehr Nr. 1 in den Umfragen sind?

Die Umfragen sind ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl: Sie stimmen hinten und vorne nicht.

Bis zur Wahl fügen Sie sich aber in Ihr Schicksal: Heinz-Christian Strache nur noch auf Vizekanzler-Kurs?

Ich sage gar nichts, außer zu den Wählern: Ich stelle mich dorthin, wo ihr mir zutraut, dass ich endlich in diesem Land die Fortsetzung einer Regierung von Schwarz und Rot verhindern kann.

Bleiben Sie jetzt bis zur Wahl auf Vizekanzler Kurs?

Ich habe nie gesagt, dass ich Vizekanzler werden will, ich bin daher auch nicht auf Vizekanzler-Kurs, sondern ich bin auf Österreich- Kurs.

Zuletzt hat Ihnen Sebastian Kurz sehr viele Stimmen weggenommen. Wenn Sie ihn nach der Wahl auch noch zum Kanzler machen, haben Sie Ihren ärgsten Konkurrenten neu gestärkt weitere fünf Jahre direkt am Hals.

Ich glaube, dass die Umfragen, nicht so halten. Ich glaube, dass es am 15. Oktober ein sehr, sehr knappes Ergebnis geben wird.

Wie viel vom Geiste Wolfgang Schüssels steckt eigentlich in Sebastian Kurz?

Ich glaube sehr viel. Nachdem der erste Zauberlehrling vom Schüssel, nämlich der Karl-Heinz Grasser, nicht ans Ziel gekommen ist, hat man natürlich einen Neuen gebraucht.

Wenn Schüssel als Steinerner Gast mit am Tisch sitzt, haben Sie nicht Angst, wieder so über den Tisch gezogen zu werden wie in der schwarz-blauen Koalition in den ersten 2000er-Jahren?

Nein, weil man uns diesmal nicht über den Tisch wird ziehen können. Wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Wir werden uns im Regierungsprogramm treu bleiben und beispielsweise die direkte Demokratie als einen Grundpfeiler verankern.

Bestehen Sie in einem Regierungsprogramm weiter auf einer Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft? Norbert Hofer hat jüngst im KURIER-Interview gesagt, das sei keine Bedingung für eine Koalition.

Das ist insofern weiter der Fall, weil die direkte Demokratie ja die Bedingung für jede Koalition ist und die direkte Demokratie letztlich auch die Pflichtmitgliedschaft abschaffen könnte.

Sie wollen also die Pflichtmitgliedschaft im Fall des Falles per Volksabstimmung abschaffen?

Das kann die Bevölkerung nach unserem System erzwingen. Wir wollen ja nicht die Abschaffung der Arbeiterkammer. Wir wollen ja, dass es eine Arbeiterkammer und eine Wirtschaftskammer gibt.

Heinz-Christian Strache: "Ich bin gelassener und ruhiger geworden"
Interview mit Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann der FPÖ, am 26.09.2017 in Wien.

Aber die Pflichtmitgliedschaft wollen Sie abschaffen?

Zwingend eingeführt wird die direkte Demokratie. Und ich sage klar und deutlich, ich will die Zwangskammern abgeschafft wissen. Die sollen eine Serviceleistung bringen wie der ARBÖ oder der ÖAMTC, da kann jeder freiwillig Mitglied sein und freiwillig zahlen. Ich werde sehr wohl versuchen in mein Regierungsprogramm die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft hineinzuverhandeln. Das ist schon mein Ansatz.

Und wenn das nicht gelingt?

Dann gibt es die direkte Demokratie.

Sie hätten in einer Regierung auch das neue EU-Budget zu verhandeln. Ist das auch ein Fall für eine Referendum?

Theoretisch und praktisch ist das möglich. Es kann ja nicht einfach so sein, dass jetzt nach dem Austritt der Briten einfach Erhöhungen stattfinden. Da muss man über Umschichtungen und über Einsparungen natürlich auf europäischer Ebene reden.

2014 haben Sie im KURIER gesagt, auch über den EU-Austritt muss man abstimmen.

Theoretisch muss so eine Abstimmung immer auch möglich sein, wenn die Bevölkerung das fordert. Ich würde aber nie einen Austritt empfehlen, außer bei Überschreitung der roten Linien. Und die roten Linien sind ganz klar definiert. Wir wollen etwa eine Reform der Europäischen Union in Richtung Föderalismus und nicht Zentralismus. Die ÖVP und die Neos wollen den Beitritt zu einer europäischen Armee, den lehnen wir ab. Wir wollen unsere Neutralität aufrechterhalten und sichern. Und wir wollen auch keine Aufgabe unserer Souveränität. Das sind die roten Linien.

Norbert Hofer hat ehrlicherweise im KURIER-Interview zugegeben, dass auch in der FPÖ bereits über mögliche Ministerposten geredet wird.

Da reden die Zeitungen drüber. Das ist bei uns kein Thema.

Aber ganz ehrlich, Herr Strache: Mit den engsten Parteifreunden haben wohl auch Sie schon einmal darüber geredet, wer für welchen Minister-Posten in Frage kommt?

Ja, natürlich denkt man drüber nach, man wird ja auch von Journalisten darüber gefragt.

Okay, also wir sind Schuld, dass Sie nachdenken. Norbert Hofer hat gesagt, er will Außenminister werden. Wird er das?

Das wäre genau die Rolle, die ihm auf den Leib geschnitten ist. Schauen wir mal, wer in welcher Rolle sein wird und was hergeben will.

Von der FPÖ ist außenpolitisch eine starke Nähe zu Russland zu erwarten. Im jüngsten Freundschaftsvertrag ihrer Partei mit den Russen verpflichten Sie sich gar zur "Erziehung der jungen Generation im Geiste des Patriotismus und der Arbeitsfreude". Aber einen Patriotismus, der zum Überfall eines anderen Landes führt, wollen Sie ja hoffentlich nicht, oder?

Nein, das wollen auf gar keinen Fall.

Ja, aber die Russen haben den Krieg in der Ukraine angefangen.

Ich weiß, dass man das so betrachten kann, man kann aber auch ...

... das war also kein Überfall auf die Ukraine?

Nein, man kann genauso gut festhalten, dass es keinen Überfall gegeben hat und die dortige Bevölkerung im Zuge einer Volksabstimmung sozusagen im Sinne des Selbstbestimmungsrechts gehandelt hat. Der militärische Konflikt in der Ukraine ist aber eine wirkliche Katastrophe. Nur, wer war dort und hat davor als Vordenker gewarnt? Das war ich. Ich war, glaube ich, der einzige Politiker, der beim Heranführungsprozess der EU an die Ukraine gesagt hat, Brüssel soll dringend trilaterale Gespräche zwischen EU, Ukraine und Russland führen, um dort ja nicht in eine Konflikt-Zuspitzung zu kommen. Gehört hat man nicht auf mich. Man hat gesagt das braucht keiner. Das war eine Arroganz der europäischen Union, zu sagen, wir schaffen Fakten. So kam es ja zum Aufstand am Majdan in Kiew und zu diesen katastrophalen Entwicklungen, die meiner Meinung nach verhinderbar gewesen wären. Das ist traurig und jetzt müssen wir schauen, wie wir da wieder heraus kommen und sicherstellen, dass dieser Krieg in der Ost -Ukraine aufhört.

Dieser Konflikt wird doch mit einem ungeheurem Zynismus behandelt. Merkel hat Putin gefragt was machen Deine Soldaten in der Ukraine? Da hat er gesagt: "Na, vielleicht sind sie auf Urlaub." Ein Patriotismus, wo man ein anderes Land überfällt, ist doch kein Patriotismus.

Da bin ich bei Ihnen.

Ja, aber Sie verteidigen dennoch die russische Außenpolitik.

Nein, ich habe da viele Kritikpunkte, sowohl an der russischen Außenpolitik, als auch an der amerikanischen.

Auch am Überfall der Ukraine?

Ja, auch am Krieg, den die USA gegen den Irak führt, habe ich viele Kritikpunkte.

Aber wenn wir vom Überfall auf die Ukraine sprechen und wollen Sie gleich über Amerika reden.

Ja klar, weil immer der Versuch gemacht wird, das eine als anständig zu bezeichnen und das andere nicht. Und ich finde, dass beides kritisiert werden sollte.

Vom amerikanischen Präsidenten Trump waren Sie begeistert, obwohl er Europa schwächen will.

Nein, bei aller Wertschätzung, das ist unredlich. Ich habe nie gesagt, ich bin begeistert vom Trump.

Sie haben sich aber öffentlich gefreut über seinen Sieg.

Ich habe gratuliert, das ist etwas anderes.

Sie sind sogar nach Washington zur Inauguration gefahren.

Ja, weil das zur Diplomatie und zur Aufgabe eines Politikers gehört, auf diplomatischer und kultureller Ebene Kontakt zu halten und diese auch zu pflegen. So verstehe ich Neutralitätspolitik, dass wir natürlich jede Wahl respektieren, ob das nun Trump oder Putin betrifft. Wenn das dann immer gleich uminterpretiert wird, da waren Begeisterungsstürme oder irgendwas, dann ist das unredlich.

Haben Sie nach dem Kanzler auch ihren Traum, Bürgermeister von Wien zu werden, aufgegeben?

Wir haben einen klaren Fokus. Wir wollen auf Bundesebene so stark werden, dass es da keine schwarz-rote Fortsetzung geben kann. Sie wissen, dass ich zuvor bei der Wiener Wahl angetreten bin und knapp nicht gewonnen habe. Wir haben zwar klar zugelegt und 31% geschafft. Darauf sind wir stolz, aber insgesamt war es zu wenig. Wäre ich dort gewählt worden, dann hätte ich schon in den letzten Jahren als Bürgermeister erstens beweisen können, dass die Welt nicht untergeht, wenn wir an der Macht sind. Und dass wir nicht alles anders, aber vieles besser gemacht hätten und wir das bald auch auf gesamtösterreichischer Ebene umsetzen werden.

In ihrem Büro hier liegt das Risikospiel "Die Siedler von Katan". Haben Sie das schon erfolgreich gespielt?

Ich habe das als Geschenk für meine Kinder bekommen. Meine Kinder lieben das. Wir spielen dieses und andere Spiele wie etwa Risiko oft zu Hause.

Sie lieben das Risiko?

Ich sage immer: ein kalkulierbares Risiko ist immer gut. Ohne Risiko gehts oft nicht.

Wenn es also wirklich wieder Schwarz-Rot nach der Wahl gibt, wie nehmen Sie dieses Risiko?

Dann wäre das eine Katastrophe für Österreich.

Wäre ein neuerliches Scheitern auch Sie auch persönlich eine Katastrophe?

Nein, denn ich bin 48 und komme erst ins beste Alter. Ich freue mich auf die nächsten zwölf Jahre. Ich werde noch viele Parteienchefs überleben.

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