Neugebauer gegen Kassenfusion: "Irrglaube, dass es billiger wird’"

Schwarzes Urgestein und Ex-Beamtenchef Fritz Neugebauer warnt türkisen Kanzler vor überstürzter Reform: „Wer glaubt, noch viel herausdrücken zu können, kennt das System nicht.“

Dass er um den heißen Brei herumredet, dafür war Fritz Neugebauer (73) nie bekannt. Der ehemalige zweite Nationalratspräsident, Vize ÖGB-Chef und Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ist vielen als wortmächtiger christlichsozialer Gewerkschafter in Erinnerung geblieben. Mittlerweile hat er sich aus allen Funktionen zurückgezogen – bis auf den Job des Präsidenten der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA). Trotz seiner langen ÖVP-Vergangenheit nimmt sich Neugebauer beim Thema Sozialversicherungen kein Blatt vor den Mund. In der KURIER-Interviewreihe „Warum eigentlich?“ – zu sehen auf kurier.at und SchauTV – begründet der frühere Lehrer ausführlich, warum der Regierung in Sachen Umbau der Sozialversicherung weniger Tempo guttun würde.

Zuletzt wurde von Türkis-Blau die Zusammenlegung der Sozialversicherungen von 21 auf fünf Träger ins Spiel gebracht. Während die Regierung hier hohes Einsparungspotenzial zu sehen glaubt, warnt Neugebauer wie viele andere eindringlich vor mehr Zentralismus. „Es ist ein Irrglaube zu meinen, wenn ich alles zentralisiere, wird es billiger“, so Neugebauer. Als Beispiel nennt er etwa die Fusionierung der Pensionsversicherungsanstalten der Angestellten und Arbeiter. Diese habe erhebliche Mehrkosten mit sich gebracht. Andere Versuche der Zusammenlegung, wie bei SVA und SVB, seien nicht ohne Grund gescheitert. Die Regierung müsse nun endlich Fakten vorlegen, wo genau eingespart werden könnte. Dass dies bislang nicht der Fall war, ärgert Neugebauer: „Man kann verschiedener Meinung sein, aber es kann nicht jeder verschiedene Fakten auf den Tisch legen.“

Österreich habe gemeinsam mit Deutschland das beste Gesundheitswesen der Welt, resümiert Neugebauer, dies könne ein zentralistisches System nicht liefern:„In Großbritannien würde ich mich in kein Spital legen.“

Gleichzeitig spricht sich Neugebauer gegen Eingriffe in das System der Selbstverwaltung aus. FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer drohte den Sozialversicherungen bereits mit Beitragskürzungen, sollte der Output nicht gesteigert werden. Das ÖVP-Urgestein kann dem wenig abgewinnen: „Wer glaubt, noch viel herausdrücken zu können, kennt das System nicht.“ Es werde bereits äußerst sparsam gearbeitet, alle Versicherungsträger hätten sich einen Kostendeckel auferlegt.

Türkis-blauer Populismus

Verhandlungen zwischen der Regierung und den Sozialversicherungen habe es noch keine gegeben. Der Meinungsaustausch finde bislang nur über die Medien statt, kritisiert Neugebauer. Die Selbstverwaltung sei ein wichtiger Bestandteil der Republik und dürfe nicht durch Populismus aufs Spiel gesetzt werden.

Ein Seitenhieb auf Türkis-Blau? Auf jeden Fall. Denn auf die Frage, ob er sich von seiner ÖVP mittlerweile entfremdet fühle, antwortet Neugebauer, dass er der Regierung vor allem zu etwas weniger Tempo raten würde. „Man kann nicht jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben, die Menschen kommen gar nicht mehr mit, was alles passiert“ so der frühere Gewerkschafter.

Vor allem beim Thema Sozialversicherung werde die Diskussion auf niedrigem Niveau geführt. Wie dies zu steigern sei? „Indem nicht jeder seine eigenen Fakten strickt und schon gar nicht, indem man die Diskussion verweigert“, meint Neugebauer. Dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt, hat er damit wieder bewiesen. Auch gegenüber der eigenen Partei.

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