"Wir wollen im Ländle was Neues"

War der Wahlkampf "Käse"? Das wird sich für LH Markus Wallner am Sonntag zeigen.
Am Sonntag könnte es im Ländle ein historisches Wahlergebnis geben. Eine Wahlkampf-Reportage.

Die Zeiten sind vorbei, als man in Vorarlberg automatisch das Kreuz bei der ÖVP gemacht hat. Viele werden wechseln – zu welcher Farbe auch immer." Die Analyse des Pensionisten Helmuth Grafeneder trifft die Stimmung im Ländle.

Der Dornbirner besucht wie jeden Samstag den Wochenmarkt. Acht Tage vor der Landtagswahl mutiert der Markt in Vorarlbergs größter Stadt zum Hotspot des Wahlkampfes. Zwischen den Blumenständen, Gemüsebauern und Bäckerei-standln quetschen sich auch die Parteien mit ihren Pop-up-Ständen. Die Kinder laufen mit Luftballons der fünf wichtigsten politischen Couleurs (insgesamt treten acht Parteien an) herum. Der Pinkman der Neos mischt sich im Ganzkörperanzug unter die Marktbesucher. ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner, der den Verlust der absoluten Macht trotz Neos so gering wie möglich halten will, und sein quirliger Herausforderer, Neos-Chef Matthias Strolz, sind fast zeitgleich am Markt unterwegs.

Strolz weiß, dass Ländle ist das pinke Kernland schlechthin. Bei den Nationalratswahlen gab es 13 Prozent für die Neos, bei den EU-Wahl 14,9 Prozent.

Der Vorarlberger-Bonus

Fragt man die Passanten am Markt, warum die Neos hier so populär sind, bekommt man unisono zu hören: "Weil Matthias ein Vorarlberger ist. Wir vertrauen unseren Landsleuten eben mehr als anderen." Ein Bonus für Strolz, trotzdem ist es eine Schicksalswahl für die Neos.

"Es ist ein Schicksalsjahr. Bei 10 Wahlen müssen sich die Neos politisch verankern"

200.000 Euro haben sie auf Pump in den Wahlkampf investiert. "Die nächsten zwölf Monate sind ein Schicksalsjahr für uns Neos. Wir müssen es bei zehn Wahlen schaffen, die Neos breit aufzustellen und in der politischen Landschaft nachhaltig zu verankern", definiert Strolz sein Ziel. Vorarlberg soll den Anfang machen. An ein Ergebnis von 13 Prozent wie bei den Nationalratswahlen glaubt Strolz nicht. "Die Vorarlberger wählen bei Landtagswahlen anders. Und man muss auch zugeben, dass die ÖVP hier vieles gut gemacht hat. Aber das Land gehört nicht der ÖVP allein." Ein Stachel im Sitzfleisch der schwarzen Übermacht wollen die Neos sein.

Das wird gelingen, ist der Dornbirner Matthias Brenner (64) überzeugt. "Ich glaube, das gesamte Klostertal wählt Pink. Die Neos kommen auf 18 Prozent."

Aber nicht alle Marktbesucher sind so euphorisch. Den einen ist die Neos-Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht zu blass und unerfahren. Andere wünschen sich mehr grüne Akzente im Parteiprogramm. "Mir gefällt es, dass die Neos die schwarzen Krusten aufbrechen wollen, aber mir sind die Neos zu wenig grün. Ich werde sie nicht wählen", meint die Heilmasseurin Sabine M. (44).

Seit auf der deutschen Seite des Bodensees Testbohrungen genehmigt wurden, ist Fracking ein heißes Wahlkampfthema. Denn der Bodensee versorgt fünf Millionen Menschen mit Trinkwasser. 60.000 von 375.000 Vorarlbergern unterschrieben eine Anti-Fracking-Petition.

Die Angst vor umweltschädlicher Erdgasgewinnung ist am Markt spürbar. Immer wieder wird Strolz damit konfrontiert. "Die Neos sind gegen Fracking. Dass wir Fracking befürworten, ist eine falsche Darstellung der Grünen", stellt Strolz klar.

Auch die ÖVP hat einen cleveren Schachzug gegen Strolz ausgepackt. Im Klostertal haben die Schwarzen den Cousin von Matthias Strolz als Landtagskandidaten aufgestellt. Christian Gantner (33) ist ÖVP-Bürgermeister in Dalaas, dem Heimatort von Strolz. Er soll in der pinken Hochburg die Stimmen zurückgewinnen.

"Die Vorarlberger kokettieren vielleicht, aber letztendlich wählen sie sehr traditionell"

Landeshauptmann Markus Wallner will trotz schlechter Umfragewerte – zuletzt fiel die ÖVP sogar auf 38 Prozent (siehe Grafik unten) – einen Stimmungswechsel spüren. Eine Schmerzgrenze, bei welchem Ergebnis er die Konsequenzen zieht, hat er für sich noch nicht definiert. "Ich glaube, die Vorarlberger kokettieren vielleicht mit einer anderen Partei, aber letztendlich wählen wir im Ländle sehr traditionell", lautet Wallners Hoffnungstheorie.

Den Dornbirner Markt hat Wallner längst Richtung Bregenzerwald verlassen. Dort nimmt er eine Käseprämierung vor. Geduldig lässt sich Wallner mit der Käsekönigin und den Käseproduzenten fotografieren. Hört man sich im Gemeindezentrum von Schwarzenberg um, so findet man noch viele unentschlossene Wähler. "Ich weiß noch nicht, ob ich ÖVP oder FPÖ wähle. Obwohl es Wallner besser gemacht hat, als wir es nach dem Rücktritt von Sausgruber erwartet haben", so der Pensionist Manfred W. und fügt selbstkritisch hinzu: "Eigentlich ist es Jammern auf hohem Niveau. Denn uns geht es gut. Aber im Ländle gehört mal etwas Neues her."

Das ist auch der Eindruck, den man im Ländle gewinnt. Es gibt kaum Unzufriedenheit, keine Polit-Skandale. Einziger spürbarer Unmut: Dass die ÖVP zu lange schon alleine am Ruder ist.

"Wir wollen im Ländle was Neues"

Dass die ÖVP am nächsten Sonntag neuerlich eine absolute Mehrheit schafft, ist Meinungsumfragen zufolge sehr fraglich. Bei der ORF-TV-Debatte am Sonntag betonte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), um einen „klaren Auftrag“ kämpfen zu wollen. Gleichzeitig sagte er aber, dass seine Partei grundsätzlich offen für eine Partnerschaft sei.

Um eine Regierungsbeteiligung buhlten sowohl der FPÖ-Spitzenkandidat Dieter Egger als auch der Grüne Johannes Rauch. Beide sprachen von einer Richtungsentscheidung bei der Wahl.

Sollte es zu einer Koalition mit der FPÖ kommen, fordert Wallner eine öffentliche Entschuldigung von Egger wegen einer antisemitischen Äußerung. Im Wahlkampf 2009 nannte Egger den Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, einen „Exil-Juden“. Egger seinerseits erklärte, dass diese Wortwahl „in der Diktion unglücklich gewesen sei“.

SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ritsch warf der Justiz vor, im Zusammenhang mit 400 entwendeten SPÖ-Gartenzwergen vor der ÖVP eingeknickt zu sein. Das Verfahren wurde eingestellt. Wallner wies die SPÖ-Vorwürfe zurück, die ÖVP habe mit dem Zwergen-Diebstahl zu tun.

Neos-Spitzenfrau Sabine Scheffknecht betonte, dass die absolute Mehrheit der ÖVP gebrochen werden müsse, weil die Schwarzen die Probleme im Land nicht mehr anpacken können.

VerwaltungsreformInhaltlich gab es große Einigkeit darüber, dass bei der Verwaltung gespart werden müsse. Bezirkshauptmannschaften könnten abgeschafft werden. Eine Zusammenlegung von Gemeinden „von oben“ wollte niemand, die Gemeindezusammenarbeit sollte aber stark über das Instrument der Förderungen ausgebaut werden.

In der Wirtschaft forderten alle eine Steuerreform und einen Bürokratieabbau. Ebenso stand außer Streit, dass die Bildung der Schlüssel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sei.

In der Frage der Energieautonomie, die Vorarlberg bis 2050 anstrebt, wurde den Grünen von Egger und von Ritsch vorgeworfen, überzogene und damit teure Standards einzufordern.

Wallner bekannte sich zum Ausbau der Wasserkraft.

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