Volksanwälte gehen Heim-Misere an

APA11069624 - 20012013 - WIEN - ÖSTERREICH: BUNDESHEER-VOLKSBEFRAGUNG - Bundesgeschäftsführer der SPÖ Günther Kräuter am Sonntag, 20. Jänner 2013, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. In einer bundesweiten Volksbefragung, können die Wahlberechtigten über die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder die Einführung eines Berufsheeres abstimmen. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Kontrollen ergaben, dass Gewalt noch heute als Erziehungsmittel eingesetzt wird

Gewalt und Missbrauch durch Erzieher in Heimen: Es ist nicht lange her, dass unerträgliche Zustände, denen Kinder- und Jugendliche vor Jahrzehnten ausgesetzt waren, durch KURIER-Recherchen aufgeflogen sind.

Seither hat sich viel geändert. Doch es geht längst nicht in allen Einrichtungen der Kinder- und Jugendwohlfahrt gewaltfrei zu. Das hat die Volksanwaltschaft feststellen müssen. In ihrem Auftrag werden Menschenrechts-Standards in vielen Einrichtungen überprüft. Kommissionen sind quer durchs Land unterwegs. Sie stehen ohne Ankündigung vor der Tür von Psychiatrien, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendwohlfahrt und Gefängnissen.

Erste Berichte

Seit Anfang Juli studiert Volksanwalt Günther Kräuter die ersten Kommissions-Berichte. Er ist entsetzt: „Es sind Dinge ans Tageslicht gekommen, die man sich nicht erwartet hätte.“ So wird in Unterkünften für Kinder und Jugendliche, die aus zerrütteten Familien stammen, Gewalt als Erziehungsmittel eingesetzt. Auch im Umgang mit behinderten Kindern wurde Skandalöses entdeckt. Und in einem psychiatrischen Krankenhaus hat eine Kommission einen Langzeit-Patienten aufgestöbert.

Kräuter hat dem KURIER Fälle erzählt, die ihn besonders erschüttert haben.

Der Heimleiter einer Einrichtung für 10- bis 18-Jährige hat zugegeben, Gewalt auszuüben. Das Haus funktioniere nur gut, weil körperliche Angriffe durch die Betreuer kein Tabu seien. Der Heimleiter wörtlich: „Die Alphastellung der im Haus tätigen Betreuer kann nur durch körperliche Machtdemonstration behauptet werden.“ Er gab zu, dass er auch schon Jugendliche in den Schwitzkasten genommen habe, die ihn blöd angeredet hätten.

Ein blinder fünfjähriger Bub lebt seit mehr als zwei Jahren in einer Wohngemeinschaft, die nicht barrierefrei ist. Mit dreieinhalb Jahren wagt er erste Gehversuche. Darauf ist die Einrichtung nicht eingestellt. Der Bub teilt sich ein Zimmer mit zwei bettlägrigen Kindern, die an Beatmungsgeräte angeschlossen sind. Es besteht die Angst, dass der Bub die beiden anderen gefährdet, wenn er im Raum unterwegs ist. Ein Gitterbett wird mit Plexiglas verstärkt, damit er aus dem Bett nicht herausklettern kann. Dort wird er Tag und Nacht weggesperrt, wenn er nicht im Kindergarten ist oder eine extra Förderung bekommt.

Mit 18 Jahren wurde im Jahr 1968 ein Mann wegen einer Erkrankung in einem psychiatrischen Krankenhauses aufgenommen. Seither lebt er dort. Argument: Es gebe für ihn keine andere Lösung.

Gewalt gegenüber Minderjährigen ist den Kommissionen laut Kräuter oft untergekommen. Der Fall des Heimleiters sei „die Spitze des Eisbergs“. Dabei seien die Prüfer auf krasse Fehler im System gestoßen. Etwa den, dass Betreuer und Leiter nicht einmal über das Mindestwissen verfügen, warum ein gewaltfreier Umgang mit Minderjährigen nötig sei. Die Jugendlichen wiederum hätten keine Möglichkeit, über ihre Behandlung mit einer vertraulichen Stelle zu sprechen. Kräuter: „Es müssen endlich die Konsequenzen aus den Heimskandalen gezogen werden, damit sich derartige Zustände nicht fortsetzen.“ Er will, dass sich eine neue Regierung einen „Masterplan für Menschenrechte“ vornimmt.

Die Arbeit der Menschenrechts-Prüfer hat in den ersten beiden Fällen schon Folgen: Der Heimleiter muss die Einrichtung verlassen, der blinde Bub soll im Herbst in eine Einrichtung übersiedeln, die auf blinde Schulkinder spezialisiert ist.

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