Kolm: "Viele wissen Rechte, aber nicht Pflichten"

Die FPÖ hat Barbara Kolm für das Hearing fixiert.
Barbara Kolm, Wirtschaftswissenschafterin und ehemalige FPÖ-Kandidatin für den Rechnungshofpräsidenten über Neoliberalismus, freiheitliche Politik und "Hol dir, was Dir zusteht"

KURIER: Das Wort „neoliberal“ ist für Gegner der Denkschule von Friedrich A. Hayek abschätzig bzw. negativ konnotiert. Was bedeutet für Sie neoliberal im 21. Jahrhundert?

Barbara Kolm: Liberal ist liberal, neo heißt ja nur neu, Liberalismus hat es ja schon immer gegeben. Liberal sein bedeutet für mich in erster Linie Respekt zu üben: Respekt gegenüber Individuen, ihren Meinungen und Weltanschauungen, Respekt gegenüber der Leistung, die Menschen erbringen, Respekt gegenüber der Privatsphäre, dem Eigentum und den persönlichen Bedürfnissen. Respekt gegenüber dem Gemeinwesen, seinen Regeln und der Verfassung. Liberal sein bedeutet für mich Verantwortung für mich selbst und das Gemeinwohl wahrzunehmen, sorgsam mit fremdem Eigentum umzugehen, das kulturelle, ökologische und ökonomische Erbe künftiger Generationen zu bewahren und möglichst zu verbessern. Liberal sein bedeutet für mich auch, mich in meiner Rolle als winziger Teil dieses Universums zu betrachten und alles darin so pfleglich wie irgend möglich zu behandeln.

In welchen Bereichen sollte der Staat auf die Wirtschaft in Österreich Einfluss nehmen bzw. es mittel- bis langfristig tun?

Einseitige Einflussnahme liegt mir gar nicht. Es geht um Partnerschaft auf Augenhöhe und darum, für uns als Individuen, als (steuerzahlende) Bürger (und Unternehmen) das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Es gibt Bereiche, in denen eine Zusammenarbeit zwischen privater Wirtschaft und öffentlicher Hand sehr sinnvoll ist und diese sollten ausgebaut werden. Wir leben schließlich in einer arbeitsteiligen Gesellschaft und jeder sollte das tun, was er am besten kann. Hier wäre mir eine Stärkung privatwirtschaftlicher Aspekte wichtig, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen. Weitere Einflussnahme des Staates in Form von Regulierungen, Vorschriften und Besteuerung wird wohl in den seltensten Fällen wünschenswert sein. Ganz im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass wir ganz allgemein mit weniger Vorschriften besser zurecht kämen. Vor allem die Freiwilligkeit darf nicht vergessen werden. Alles zu Tode zu reglementieren bringt keiner Seite etwas.

Können Sie dem SPÖ-Slogan „Hol Dir, was Dir zusteht“ etwas abgewinnen?

Der Slogan war wohl nicht ganz durchdacht, denn er impliziert, dass bisherige Regierungen uns Bürgern das vorenthielten, was uns zusteht. Auch finde ich es äußerst bedenklich, dass hier unterschwellig vermittelt wird, dass es eine Gruppe von Ausbeutern und eine Gruppe von Ausgebeuteten gibt. In einem Land, das so stolz auf seinen sozialen Ausgleich ist, eine sehr fragwürdige und auch gefährliche Botschaft. Und noch eine Überlegung: Mir begegnen immer öfter Menschen, die bestens über ihre Rechte Bescheid wissen, aber relativ naiv erscheinen, wenn es um ihre Pflichten geht. Der freiheitliche (liberale) Ansatz verbindet Rechte und Pflichten untrennbar.

Was zeichnet freiheitliche Politik für Sie aus?

Die Kombination aus der Selbstverständlichkeit, mit der soziale Verantwortung in das Zentrum gestellt wird, wenn es um den Erhalt des Arbeits- und Wirtschaftsstandortes Österreich geht und der Notwendigkeit, Entscheidungen, die die individuelle Freiheit betreffen, zu fordern und zu fördern. Die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik hat der Gesellschaft zu dienen, indem sie dazu beiträgt, menschliche Probleme zu lösen. Pragmatisches, lösungsorientiertes Vorgehen in allen Fragen, Meinungsvielfalt zulassen und verantwortungsvolles Handeln für Heute und die Zukunft.

Sie sagen in einem Youtube-Video, dass sich Tiroler als freiheitsliebend begreifen. Wie äußert sich diese Eigenschaft bei der gebürtigen Innsbruckerin Barbara Kolm – privat wie beruflich?

Ich verlasse mich gerne auf mein natürliches Rechtsempfinden und meinen Gerechtigkeitssinn. Wenn die gestört sind, dann reagiere ich empfindlich und kann dann auch sehr lästig sein, bis eine Frage geklärt, eine Vorschrift öffentlich diskutiert oder ein Unrecht wiedergutgemacht ist. Wir Tiroler sind auch patriotisch, selbstbewusst und wehrhaft, wir berufen uns gerne auf alte Zeiten, in denen wir uns in der Geschichte als nicht erpressbar und als unabhängig bewiesen haben. Sich darauf zu berufen, beinhaltet die Verpflichtung, diese Tugenden hochzuhalten.

Sie sagen zudem, dass Bildung ein wesentlicher Faktor in Ihrer Erziehung/Familie war. Können Sie ein Beispiel nennen?

Meine Eltern und Großeltern haben mir den wichtigsten Satz mitgegeben: Im Zweifelsfall kannst Du nur das mitnehmen, was Du im Kopf hast. Vielleicht habe ich das als kleines Kind noch nicht verstanden, die Vielschichtigkeit dieses Gedankens nicht erfasst. Es war aber für mich so deutlich zu spüren, dass es sich um eine grundlegende, ja existentielle Einstellung handelte, dass ich diese Haltung von klein auf verinnerlichte. Werte wie Freiheit und Eigenverantwortung waren für uns immer wichtig. In meiner Familie wurden Reisen unternommen, um Kultur und Kunst in anderen Ländern kennenzulernen. Die Schule und das Studium wurden nicht gewählt, um die raschestmögliche Berufsausbildung zu erhalten, sondern um Wissen und Erfahrung zu sammeln. Jedes Handwerk, jeder Sport, jede Fertigkeit, für die wir Kinder uns interessierten, wurde uneingeschränkt gefördert.

Welchen Herausforderungen haben Sie sich bereits gestellt? Welchen Herausforderungen möchten Sie sich noch stellen?

Seit meiner Jugend habe ich immer auf die eine oder andere Art Wissen vermittelt, das ist per se eine Herausforderung. Ich war schon Anfang 20 in verantwortungsvoller Position unternehmerisch tätig, habe Aufgaben in der Lokalpolitik übernommen und letztlich alle Erfahrungen in die Gründung des Austrian Economics Centers fließen lassen, das das weltweit größte marktwirtschaftliche Projekt betreibt: die Free Market Road Show. Und hier schließt sich wieder der Kreis, es geht wieder um Bildung und um Eigenverantwortung. Ökonomisches Wissen und unternehmerisches Denken (und Handeln zu fördern) sind für die Zukunft unseres Landes von enormer Bedeutung. Wie auch immer ich in diesem Sinne zur Bewusstseinsbildung beitragen kann, ich werde diese Herausforderung gerne annehmen.

Sie sprechen fließend Englisch. Haben Sie im Ausland studiert bzw. Woher rührt diese Fähigkeit?

Das Erlernen von Fremdsprachen war in unserer Familie immer sehr wichtig, als Kind habe ich Englisch und Französisch gelernt, später Italienisch und Spanisch. Während der Schulzeit habe ich viele Sommer in England und Italien verbringen dürfen und während meines Studiums habe ich auch einige Zeit in den USA verbracht. Fachliteratur ist fast ausschließlich Englisch und ich bewege mich seit vielen Jahren im internationalen Umfeld. Gut die Hälfte des Jahres verbringe ich im Ausland auf Konferenzen, Vorträgen oder bei Expertenhearings. Ohne Englischkenntnisse wäre das so nicht möglich.

Gibt es jemanden, den Sie als Vorbild/Mentor ausmachen und nennen wollen?

Ich hoffe, dass ich an Fleiß und Ausdauer meinen Eltern nahekomme. Mentoren und Unterstützer zähle ich zu meinen Freunden, denen ich sehr verbunden bin. Und Vorbilder gibt es natürlich viele, aber auch hier bin ich ganz Individualistin und greife gerne nur eine Charaktereigenschaft oder eine Haltung oder Handlung einer Persönlichkeit heraus und nehme mir die Freiheit, nicht vollständig über diese Person informiert zu sein. Mir gefällt dieser oder jener Zug, diese oder jene Aussage und ich versuche, sie mir zu zeigen, zu machen und mich permanent weiterzuentwickeln.

Zur PersonBarbara Kolm wurde 1964 in Innsbruck geboren. Die Wirtschaftsexpertin leitet seit 2000 das „Friedrich A. v. Hayek“-Institut, das als liberaler Thinktank geführt wird, der marktwirtschaftliche Lösungen erarbeitet und die Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verbreitet. Kolm verhandelt gegenwärtig für die FPÖ "Finanzen und Steuern".

Austrian Economics Center: Als Direktorin des Austrian Economics Centers veranstaltet Kolm seit 2008 eine jährliche „Free Market Road Show“, die heuer durch 45 Städte führte. Im Mittelpunkt dieser internationalen Konferenz stehen aktuelle Wirtschaftsprobleme, von der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise bis hin zu den Sparprogrammen und ihren Auswirkungen. Das Austrian Economics Center ist eine „Non-Governmental-Organization“, die in erster Linie von amerikanischen Foundations und internationalen Unternehmen unterstützt wird.

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