Höchstrichter: "Fortpflanzung ist ein Grundrecht"

Das Verbot, Eizellen ohne medizinische Indikation einzufrieren, ist verfassungswidrig und ab 2027 Geschichte. Das gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Dienstag bekannt. Sehr überraschend ist das nicht, wenn man sich eine Szene aus der öffentlichen Verhandlung des VfGH im Juni in Erinnerung ruft:
Eine Vertreterin des Verfassungsdienstes (und damit der Bundesregierung) erklärte, man wolle Frauen vor „sozialem Druck“ schützen: Sie sollten sich durch die Option, ihre Eizellen für später einfrieren zu können, nicht gezwungen fühlen, ihren Kinderwunsch aufschieben zu müssen. Was Höchstrichter Michael Rami trocken mit der Gegenfrage quittierte, ob der Staat dann auch Verhütungsmittel verbieten müsse.
Im nun vorliegenden Erkenntnis schreibt der VfGH, dass „möglicher sozialer Druck“ kein Grund für ein absolutes Verbot des sogenannten „Social Egg Freezings“ sei.
Keine ethischen Probleme
Erlaubt ist laut Fortpflanzungsmedizingesetz derzeit nur das „Medical Egg Freezing“ – etwa, wenn Frauen vor einer Chemotherapie stehen. Diese Einschränkung hatte die Wienerin Cornelia M. – gesund, berufstätig, in ihren 30ern – vor dem Höchstgericht angefochten, und bekam nun recht.
VfGH sieht Grundrecht
„Der Wunsch, ein Kind zu haben und daher eine natürliche oder medizinisch unterstützte Methode der Fortpflanzung zu verwenden, ist Teil des Privatlebens und damit ein Grundrecht“ nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, schreibt der VfGH. Es dürfe nur beschränkt werden, wenn es beispielsweise zum Schutz der Gesundheit oder der Rechte anderer notwendig ist. Beim „Social Egg Freezing“ für eine spätere In-vitro-Fertilisation mit Keimzellen des Partners würden sich keine ethischen und moralischen Probleme ergeben.
Gesundheitliche Risiken könnten „mit weniger einschneidenden Mitteln als einem ausnahmslosen Verbot“ gemindert werden. Verwiesen wird auf Experten, die in der Verhandlung Altersgrenzen vorgeschlagen haben. Der VfGH hebt das jetzige Verbot mit 1. April 2027 auf, bis dahin soll die Regierung eine Neuregelung schaffen.
Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) reagierte positiv: „Wir müssen für junge Menschen die Chance auf eine eigene Familie so groß wie möglich machen“, und dazu gehöre auch Unterstützung, „wenn der natürliche Weg zu einer Familie nicht einfach ist“.
Die Neos wollen sich dafür einsetzen, dass das Erkenntnis „rasch in einen sorgsamen Gesetzesentwurf einfließt“. Die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski sprach auf Bluesky von einem "überfälligen Erfolg für Gleichstellung & Selbstbestimmung".
Die SPÖ-Ministerinnen Korinna Schumann (Soziales) und Eva-Maria Holzleitner (Frauen) sind etwas zurückhaltender. Zwar begrüßen sie die Maßnahmen, um die Selbstbestimmung von Frauen zu stärken. Aus ihrer Sicht gilt aber weiter: Es dürfe niemals dazu kommen, dass Frauen „durch gesellschaftlichen und vor allem beruflichen Druck das Gefühl bekommen, die Möglichkeit einer Schwangerschaft verzögern zu müssen“.
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