Verteilte Millionen und verbrannte Erde

46-218693572
Ein langjähriger KURIER-Autor wehrt sich als Teil einer Bürgerinitiative gegen „250-Meter-Monster“ im Weinviertel.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Windkraftunternehmen, die Grundbesitzer in Nutzungsverträge locken/drängen, aus denen sie nie wieder raus kommen; einseitige Bewilligungsverfahren, die jeder Beschreibung spotten; Windparks, die an der Bevölkerung vorbei ausgehandelt werden; Umwelt- und Naturstandards, die für Megagewinne außer Kraft gesetzt werden – im Wald- und Weinviertel sehen sich gerade viele Regionen mit der brachialen Durchsetzungswucht der Windkraftindustrie konfrontiert. 

Ein Beispiel: Das Pulkautal nahe der tschechischen Grenze ist eines der letzten unberührten Gebiete im Weinviertel. Es lebt von Weinbau und Landwirtschaft und mutet stellenweise wie die Toskana an. Alfred Komareks „Polt“ wurde hier in den längsten Kellergassen Europas gedreht. Radtouristen schätzen die Beschaulichkeit der Weinfluren, Künstler die Inspiration.

Mit der Beschaulichkeit könnte es bald vorbei sein. Ein Grundbesitzer gibt seine Äcker her, ein Bürgermeister wittert das große Geld: Auf dem Buchberg am Rande des Tales ist ein Windpark mit fünf Windkraftwerken à 250 Meter (höher als der Wiener Millenniums-Tower) geplant. Zwölf weitere werden hinter verschlossenen Wullersdorfer Gemeindetüren gerade gedealt. Seit 20 Jahren kämpft eine Bürgerinitiative gegen die Zerstörung dieses einzigen Waldgebietes und unersetzlichen Habitats der Region, in dem nun sogar der geschützte Kaiseradler brütet.

„Adlerhorst sitzen wir aus“

Das ist den Betreibern egal. Und der Bürgermeister der Gemeinde will von den Millionen Euro, die die Betreiber für Gemeinden und Grundbesitzer springen lassen, profitieren. Natur? Adler? Irrelevant – „den Adlerhorst sitzen wir aus“, sprach bei einem Gemeindetreffen die Vertreterin der Betreiber Simonsfeld, die eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung (!) begehren.

Das Tal selbst ist im Raumordnungsplan (zwei Prozent der NÖ-Fläche sind für Windkraft ausgewiesen), anders als der Buchberg am Südrand, nicht für Windkraftwerke vorgesehen. Dennoch marschieren dort Vertreter von Betreiberfirmen (EVN, Bloch3, …) von Bürgermeister zu Bürgermeister, von Landwirt zu Landwirt, um gegen viel Geld schon mal Grund für künftige Windkraftwerke mit Beschlag zu belegen. Bis zu 70 Monsterkraftwerke drohen im Norden des Tales.

Für Strom, der so nicht gebraucht wird. Niederösterreich hat 823 Windkraftwerke, doppelt so viele wie der Rest Österreichs, und produziert zeitweise 140 Prozent erneuerbare Energie. So viel, dass überschüssiger Strom ins Ausland verschenkt wird, weil er hier nicht gespeichert/transportiert werden kann.

Ja, ich bin als Teil der Bürgerinitiative „Lebenswertes Pulkautal und Wullersdorfer Land“ Partei. Aber nicht pauschal gegen Windkraft (man wird ja gern ins Klimawandelleugner- und rechtsrechte Eck gerückt). Sondern gegen den staatlich geförderten Öko-Kapitalismus, der die Natur zerstört, die angeblich gerettet werden soll. Und der nur einigen Windkraftbetreibern satte Gewinne beschert. Die haben eine Abnahmegarantie für Windstrom. Nur deshalb werden Flusskraftwerke, wenn die Netze überlastet sind, abgeschaltet, nicht wegen des eingespeisten Stroms kleiner PV-Anlagenbesitzer, wie denen jetzt eingeredet wird.

Die Betreiber suchen sich für ihre Vorhaben die strukturschwächsten Regionen des Landes aus, werfen in verschuldeten Gemeinden mit Millionen um sich, ohne dort nur einen Arbeitsplatz zu schaffen, und ziehen nach verbrannter Erde weiter.

Alternative? Ja, Re-Powering bestehender Windkraftanlagen. Standorte dort, wo der Strom gebraucht wird. In Bundesländern, die nicht geliefert haben. Auf Industrieflächen, die weitere Industrienutzung hergeben. Wenn Windkraft angesichts von zunehmenden Windflauten tatsächlich die Zukunft sein sollte ...

Das Pulkautal hätte eine Zukunft – mit Tourismus, Wein-Marketing und mehr. Man muss es nicht renaturieren, es ist Natur! Mit zig Windkraftmonstern ist es tot.